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Die Musik des Zufalls

Die Musik des Zufalls

Titel: Die Musik des Zufalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Und mit dem gewohnten kurzen Win k schrit t e r übe r di e Wies e davo n un d verschwan d i m Wald.
    Nash e konnt e Murk s fü r sein e Selbstbeherrschun g nur bewundern . Di e meiste n Männe r hätte n nac h eine m solchen Angrif f zurückgeschlagen , abe r Calvi n hatt e nich t einma l die Händ e hochgenommen , u m sic h z u verteidi g en . Da s mocht e in gewisse r Weis e arrogan t wirke n – al s würd e e r Pozz i damit sagen , s o seh r d u dic h auc h bemühst , d u kanns t mi r nich t weh tu n –, aber in Wirklichkeit hatte er damit die Lage erstaunlich schnel l entschärft . Wen n ma n bedachte , wa s d a hätt e pas sieren können , wa r e s ei n Wunder , da ß kei n größere r Schaden entstande n war . Selbs t Pozz i schie n sic h desse n bewuß t z u sein, und als er dem Thema am Abend sorgfältig aus dem Weg ging, spürte Nashe, daß es ihm peinlich war, daß er froh war, noch rechtzeiti g aufgehalte n worde n z u sein.
    E s ga b keine n Grun d z u de r Annahme , da ß di e Sache irgendwelch e Konsequenze n habe n würde . Doc h al s Murk s am nächsten Morgen um sieben am Wohnwagen erschien, trug er eine Schußwaffe. Es war ein achtunddreißiger Polizeirevolver in eine m Lederhalfter , da s a n eine m Patronengürte l u m Calvins Hüft e hing . Nash e fie l auf , da ß sech s Patrone n i n de m Gürtel fehlte n – ein fast sicherer Beweis dafür, daß die Waffe geladen war . Schlim m genug , da ß di e Lag e sic h s o zugespitz t hatte, dacht e er , ab e r noc h schlimme r wurd e da s Ganze , wei l Calvin sich aufführte, als wäre nichts geschehen. Er verlor kein Wort über die Waffe, und dieses Schweigen beunruhigte Nashe am Ende mehr als die Waffe selbst. Demnach glaubte Murks, er hab e da s Recht , si e z u trage n – un d zwa r vo n Anfan g an. Freihei t hatt e als o ni e zu r Debatt e gestanden . Verträge, Handschlag, Wohlwollen – all das hatte nie etwas bedeutet. Nash e un d Pozz i hatte n di e ganz e Zei t unte r Gewaltandrohung gearbeitet , un d nu r wei l si e e s vorgezoge n hatten , si c h Murks zu fügen , hatt e e r si e i n Ruh e gelassen . Mecker n un d Murre n waren offenbar erlaubt, aber sobald ihre Unzufriedenheit sich nicht meh r nu r i n Worte n äußerte , wa r e r sofor t bereit , si e mit drastischen Maßnahmen einzuschüchtern. Und so, wie das Ganz e o rganisiert war, konnte kein Zweifel darüber bestehen, da ß e r au f Anweisun g vo n Flowe r un d Ston e handelte.
    Dennoch schien es unwahrscheinlich, daß Murks vorhatte, die Waff e z u gebrauchen . Si e hatt e ein e symbolisch e Funktion , es genügte , da ß e r si e be i sic h trug . Solang e di e beide n ih n nicht provozierten, würde Calvin bloß wie die billige Nachahmung eine s Provinzsheriff s mi t de r Waff e a n seine r Hüft e vo r ihnen herumstolzieren . Gena u betrachte t gin g di e eigentlich e Gefahr vo n Pozz i aus , dacht e Nashe . Da s Verh a lte n de s Junge n wa r so unberechenba r geworden , da ß ma n nich t absehe n konnte , o b er irgendetwas Törichtes anstellen würde oder nicht. Wie sich ergab, tat er nichts dergleichen, und am Ende mußte Nashe zugeben , da ß e r ih n unterschätz t hatte . Pozz i hatt e vo n Anfang a n mi t Ärge r gerechnet , un d de r Anblic k de s Revolver s an diese m Morge n überrascht e ih n nicht , sonder n bestätigt e bloß seine schlimmsten Befürchtungen. Nur Nashe war überrascht, nu r Nash e hatt e sic h z u eine r falsche n Interpretatio n der Tatsachen ver leite n lassen , währen d Pozz i imme r gewuß t hatte, wa s d a gespiel t wurde . E r hatt e e s sei t de m erste n Ta g au f der Wies e gewußt , un d wa s au s diese m Wisse n folgte , hatt e ih n halb z u Tod e geängstigt . Jetzt , d a endlic h klar e Verhältnisse herrschten , wirkt e e r g e radezu erleichtert. Für ihn änderte der Revolve r j a nicht s a n de r Situation . E r bewie s lediglich , da ß er rech t gehab t hatte.
    «Na , Alter» , sagt e e r z u Murks , al s di e dre i übe r da s Gras gingen , «sieh t aus , al s hättes t d u nu n endlic h di e Karte n au f den Tisc h gelegt.»
    «Karten?» sagte Murks, verwirrt von der Bemerkung. «Ich ha b di r doc h gester n gesagt , ic h spie l nich t Karten.»
    «Is t doc h blo ß s o ein e Redensart» , sagt e Pozz i mi t einem freundliche n Lächeln . «Ic h mein e deine n komische n Lolli. Diesen Ballermann da an deiner Hüfte.»
    «Ach , den» , sagt e Murk s un d tätschelt e di e Waff e i n ihrem Halfter . «Tja , ic h dacht e mir ,

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