Die Mutter
anderer Männer und wie sie irgendwann begriffen hatte, auf welche Weise sich Nitas Lackschuhe und Spitzenkleidchen problemlos finanzieren ließen.
Es klang, als habe sie nur ihrem Kind zuliebe diesen Weg eingeschlagen. Dass es Nita in irgendeiner Weise geschadet haben könnte, mochte sie nicht glauben. Nita hatte es genossen, eine Mutter mit großem Freundeskreis zu haben. Es waren immer nur Freunde gewesen, keine Freier. Es waren Auserwählte, und sie wurden sorgfältig ausgewählt. Es waren Männer mit Geld und Macht und Einfluss. Männer, die für einen netten, verschwiegenen Abend ein kleines Vermögen zahlten und sich auch in anderer Weise erkenntlich zeigten.
Regina Kolter hätte nur mit einem Finger schnipsen müssen, und zwei oder drei von ihren Freunden hätten Klinkhammers berufliche Aufstiegschancen jäh beendet. Bisher hatte sie es vermieden, einen ihrer Freunde auf den idiotischen Bullen zu hetzen. Sie hatte auch nicht vor, es zu tun. Sollte der dämliche Hund doch glauben, was er wollte. Sie würde zu allem Ja und Amen sagen. Der Rest war Privatsache, ging nur sie etwas an und Nita.
Nach mehr als einer Stunde, in der sie ihren braun werdenden Apfel in der Hand gedreht und mit einer Stimme, die zwischen Melancholie und Feindseligkeit schwankte, gesprochen hatte, war sie wieder bei den Scheißern, die ihnen das angetan hatten. Es waren zwei gewesen, ein besoffener Autofahrer und ein hirnamputierter Arzt.
Sie öffnete den Schrank neben der Spüle. Ein Mülleimer schob sich vor, öffnete seinen Deckel und legte ein Häufchen zerknüllter Papiertaschentücher, Möhren- und Eierschalen bloß. Sie ließ denApfel darauf fallen und schaute mich nachdenklich an. «Was wollen Sie mit einem Foto von Nita?»
Ich erklärte es ihr. Sie schüttelte den Kopf.
«Auch wenn ich ein brauchbares Foto hätte, dafür würde ich es nicht hergeben. Es war Nitas Entschluss wegzugehen. Wenn sie sich entschließt zurückzukommen, soll sie das freiwillig tun. Und nicht, weil ein Schnüffler sie dazu auffordert.»
«Ich will sie nicht auffordern lassen zurückzukommen. Ich will nur, dass sie mir ein paar Fragen beantwortet.»
«Das kann ich genauso gut. Der Bulle spinnt. Und wenn Sie glauben, was er erzählt, können Sie auch nicht bei Verstand sein. Natürlich hatte Nita eine Wut im Bauch, aber nicht auf Sie und nicht auf Rena. Dass sie es Lengries so erzählt hat, wundert mich nicht. Dem Arsch hätte sie nie die Wahrheit gesagt. Die Wahrheit, Frau Zardiss, ist: Nita war gerne mit Rena zusammen. Nach Ihrem Umzug war sie ziemlich geknickt, weil Rena sich von ihr zurückzog. Ich sagte: ‹Lass die Kleine doch. Du hast genug Freunde. So ein wohlbehütetes Töchterlein passt doch gar nicht zu dir.› Wissen Sie, was sie mir antwortete? ‹Ich schaue sie an, Regina, und dann schaue ich durch ein Fenster und sehe mich auf der Straße vorbeigehen. Und wenn ich mich vorbeigehen sehe, bin ich wie sie. Ich hätte doch so werden können, oder?› Natürlich hätte sie so werden können.»
Sie lächelte, es war fast ein Weinen. «Machen Sie sich keine Sorgen. Wenn Rena bei Nita ist, bekommen Sie sie ohne einen Kratzer zurück. Nita wird nicht zulassen, dass jemand ihr Fenster mit Dreck bewirft oder zerkratzt. Und wenn Nita sie nicht mehr braucht, wird sie Rena heimschicken.»
«Wann?»
Sie zuckte mit den Schultern, drehte das Gesicht zur Seite. «In ein paar Wochen, in ein paar Monaten. Ist doch egal, wann. Nita braucht sie jetzt. Einer muss ihr doch beistehen, wo André nicht mehr da ist.»
Ich erhob mich. Zwei Fragen noch. «Wenn Nita sich bei Ihnen meldet, werden Sie mich informieren? Und werden Sie sie fragen, ob Rena bei ihr ist und wie es ihr geht?»
«Sie wird sich nicht bei mir melden. Das tut sie mir nicht an.» Sie zögerte, betrachtete mich skeptisch. «Aber ich habe Möglichkeiten. Ich kann in Erfahrung bringen, ob sie zusammen sind und wie es ihnen geht. Wenn Sie interessiert sind.»
Ich dachte an einflussreiche Freunde und nickte.
«Gut», sagte sie und nickte ebenfalls. «Ich rufe Sie an, wenn ich etwas weiß. Aber ich sage Ihnen nicht, wo die beiden sind. Machen Sie sich keine Hoffnungen. Wenn ich nein sage, heißt das nein.»
Als ich endlich wieder im Wagen saß, brummte mir der Schädel vor Trauer. Es gibt kein anderes Wort dafür. Regina Kolter mochte manches verzerrt oder verklärt sehen, sogar vieles mochte sie so sehen. Doch sie hatte auch mich etwas sehen lassen. Ich sah es mit dem gleichen Gefühl
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