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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Nita hatte seinen Freund auf dem Gewissen, mehr gab es nicht zu sagen! Nita war eine elende Schlampe, ein Stück Dreck, ein Miststück, ein dreimal verfluchter Junkie. Nita war kaputt und konnte nicht eher Ruhe geben, bis andere es auch waren.
    «Ist sie krank?»
    Ich saß auf dem Fahrersitz, Uwe Lengries auf der Rückbank, den Kopf weit in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen. Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. «Ja, hier. Und das ist eine verdammt ansteckende Krankheit.»
    Ich sah das Foto über Regina Kolters Bett vor mir, während er fluchte, schniefte und den Nachruf auf André Menke hielt. Ein toller Kumpel, ein Freund, wie man ihn sich wünscht. Unzertrennlich waren sie gewesen seit dem ersten Schultag, auch noch mit den ersten Mädchen, bis Nita auftauchte. In ihrem Gefolge bereits Wiltrud Heister und Henrik Emmersen. André war zu der Zeit mit Janet Abel zusammen. Und Janet war mit Stefanie Burk befreundet. Und Stefanie fuhr auf Nita ab wie eine Rakete. Über Stefanie geriet Janet in Nitas verhängnisvollen Bann und mit ihr André.
    Da war etwas, das Uwe Lengries nicht verstand. Dass André, der bestimmt nicht blöde war, einem grünen Giftpflänzchen auf den Leim ging, dass er plötzlich alles sausen ließ, was vorher wichtig gewesen war, und Nitas perverse Spielchen mitmachte.
    Er holte weit aus. So genau wollte ich es gar nicht wissen. Aber ich mochte seinen Monolog nicht unterbrechen aus Furcht, dass er den Faden verlor oder sich darauf besann, dass er nicht mit mir reden wollte. Ich hatte Zeit und die Hoffnung, dass er sich allmählich an Rena heranarbeitete.
    Nach einer halben Stunde wusste ich, dass es nie Sex gegeben hatte mit Nita. Nur leere Versprechungen zu Anfang, später nicht einmal mehr die. Aber später klebte André an dieser Giftdrüse, hätte Nägel geschluckt und auf glühenden Steinen getanzt für das verlogene Aas.
    Hundertmal hatte Uwe Lengries seinen Freund gewarnt: «Für die bist du auch nur ein Scheißer, da kannst du dir noch ein Dutzend Ringe durch die Backen schießen. Die macht dich kaputt.»
    Und genau so war es gekommen, jetzt war André tot. Und Uwe Lengries wünschte Nita ein so grauenhaftes und qualvolles Ende, wie man es seinem ärgsten Feind nicht wünschen sollte.
    Ich brachte ihn zurück auf den Punkt, sagte, wir hätten uns bei Rena auch immer gefragt, was an Nita so magisch anzog. Und wir wären erleichtert gewesen, als wir annehmen durften, es sei vorbei.
    «Das war es auch», murmelte er, «für Rena. Nicht für Nita. Die will selbst bestimmen, wann etwas vorbei ist. Wenn sie merkte, dass einer nicht mehr mitzog, war sie plötzlich scheißfreundlich und machte auf die Mitleidtour. Das zog bei den meisten, bei Rena auch. Das arme Ding hat sich auch noch mies gefühlt.»
    Mit geschlossenen Augen erzählte er von den letzten Stunden mit Nita und Menke. Dass Nita wörtlich gesagt hatte: «Ich nehme das Pferdchen mit, jetzt wird zur Abwechslung mal sie geritten.»
    Dass er zu Nita gesagt hatte: «Du glaubst doch nicht, dass sie freiwillig mitkommt!»
    Dass Nita gelacht hatte: «Und wie ich das glaube. Ich weiß schon, wie ich sie überreden kann. Die Scheißer sollen doch noch Spaß haben, bevor ich sie kille. Und wenn das Pferdchen bockt, mache ich mit ihr den Anfang. Macht mir gar nichts aus.»
    Im Juristenjargon heißt es: Aussage gegen Aussage. Regina Kolter gegen Uwe Lengries. Ich sprach noch eine Weile mit ihm, vor allem über Nitas Gesundheit. Er räumte ein, dass es ihr zeitweise ziemlich dreckig gegangen war. Aber ihn wunderte das nicht. Wer pfundweise Speed schluckte und täglich einen Schuss brauchte, war eben nicht mehr so gut drauf. Von einem Unfall in früheren Jahren oder einer ernsthaften Erkrankung wusste er nichts. Dass Ärzte für Nita der letzte Dreck waren, wusste er dafür umso besser. Das hatte Rena so wertvoll gemacht in Nitas Augen. Der Papa ein Onkel Doktor, dem Nita unbedingt zeigen wollte, was Sache ist.
    Ich musste mich nicht länger fragen, was Klinkhammer zu seiner abstrusen Mordtheorie gebracht hatte. Regina Kolter hatte es nicht für nötig befunden, einem idiotischen Bullen zu erklären, wie ihr ums Herz und welch ein Mensch ihre Tochter war. Und von Uwe Lengries brauchte es nur drei Sätze, dann war Nita eine Teufelin. Man konnte es glauben oder nicht.
    Ich glaubte es nicht. Nicht mehr. Nicht mehr bedingungslos. Ein weißes Gesicht und ein schwarzer Umhang, aber nichts auf der Welt ist nur schwarz oder weiß.

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