Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
flüchtig, dann stieg er ein und fuhr los. Ich blieb dicht hinter ihm. Klinkhammer wartete bereits auf dem Parkplatz, als wir beim Krankenhaus ankamen. Er war ungeduldig, konnte nicht schnell genug hinauf zu Vater kommen.
     
    In den Zimmern waren noch die Putzkolonnen beschäftigt. Mutter unterhielt sich mit einer Frau in den Vierzigern über die Vorzüge eines Flüssigreinigers. Vater saß im Bett, vor sich den Auszug vom Nachttisch, auf dem die Mahlzeiten serviert wurden. Er erschrak, als wir zu dritt ins Zimmer kamen. Sekundenlang hing sein Blick an meinem Gesicht, als wolle er mir von der Stirn ablesen, was ich dachte und fühlte.
    «Keine Sorge», sagte Jürgen statt einer Begrüßung. «Vera weiß Bescheid.»
    Vater nickte kurz. Seine rechte Hand hielt einen Joghurtbecher so fest umklammert, dass er Dellen ins Plastik drückte. Die Linke tauchte den Löffel ein und führte ihn ungeschickt zum Mund. Etwas Joghurt tropfte auf das dicke Frottiertuch, mit dem jemand das Laken abgedeckt hatte.
    Ich war randvoll mit Wut auf ihn, und trotzdem kam ich nicht an gegen den Reflex, ihm sein Los leichter zu machen. Ich wollte ihm helfen. Mutter sagte streng: «Lass das, Vera. Er muss es lernen.»
    Vater lächelte wie ein Schuljunge, der eine wichtige Lektion vergessen hat. Er tauchte den Löffel erneut ein und ließ ihn stecken. Dann löste er mit Hilfe der linken Hand die rechte vom Becher,knüllte das bekleckerte Frottiertuch zusammen und schaute gespannt zwischen Jürgen und Klinkhammer hin und her.
    Die Putzfrau machte sich mit einem Wischlappen an der Fensterbank zu schaffen. Niemand kam auf die Idee, sie aus dem Zimmer zu weisen. Jürgen verband den Anrufbeantworter mit einer Steckdose. Mutter setzte sich auf dem zweiten Bett in Positur. Es war eine Sache von ein paar Sekunden. «O mein Gott.»
    Vater schluckte heftig und nickte noch, als Patrick vom Schwarzenegger-Film zu sprechen begann und Jürgen das Gerät ausschaltete. «Kein Zweifel?», fragte Klinkhammer knapp.
    Vater schüttelte den Kopf. Die Putzfrau betrachtete mit gerunzelter Stirn den Anrufbeantworter und murmelte: «O mein Gott.» Ein unwilliger Blick von Klinkhammer ließ sie verstummen.
    Mutter erkundigte sich misstrauisch, wer die Frau sei, die gesprochen habe.
    «Meine Mutter», sagte Jürgen. «Wir hielten es für besser, wenn jemand im Haus ist. Und da Vera etwas Wichtiges zu erledigen hatte   …» Weiter kam er nicht.
    «Etwas Wichtiges?», erkundigte sich Mutter spitz. «Was war denn so wichtig daran, hier den ganzen Nachmittag herumzusitzen? Ist deine Mutter jetzt auch im Haus?»
    «Ja», log Jürgen. «Aber ich habe ihr verboten, die Fenster zu putzen. Sie wird auch den Staubsauger nicht anrühren. Und den Kaffee hat sie sich von zu Hause mitgebracht.»
    «Es war nur eine Frage.» Mutter war beleidigt.
    «Aber eine ziemlich dumme», sagte Jürgen. «Die feinen Standesunterschiede sollten wir in dieser Situation außen vor lassen.»
    Klinkhammer machte mit einem gereizten Grunzen deutlich, dass wir unsere Differenzen austragen konnten, wenn wir nichts Besseres zu tun hatten. Er verlangte Jürgen das Band ab und verabschiedete sich eilig. Jürgen beauftragte mich, den Ersatz zu besorgen und noch einmal die gleiche Ansage zu machen; wenn möglich mit etwas mehr Inbrunst.
    Wir verabschiedeten uns von Vater, der wieder die rechte Hand um den Joghurtbecher krallte, und Mutter, die das Laken erneut mit dem Frottiertuch abdeckte und dabei die Putzfrau auf ein paar Staubflusen in der Zimmerecke aufmerksam machte.
    Auf dem Weg nach unten drückte Jürgen mir den Anrufbeantworter in die Hand, ohne Erklärung, wie ich ihn anzuschließen hätte. Er setzte voraus, dass ich damit zurechtkam oder alleine herausfand, wie es funktionierte. Er war mit seinen Gedanken schon beim fünften Anruf.
    «Er ist am Ende», meinte er, als wir über den Parkplatz gingen. «Das muss doch den Leuten in seiner Nähe auffallen, dieser Frau zum Beispiel. Wir sollten wirklich versuchen, ihn ein bisschen zu kitzeln, wenn er uns schon die Möglichkeit bietet. Vielleicht können wir die Sache damit beschleunigen. Es wäre für uns alle eine Erlösung, denke ich, wenn wir endlich Gewissheit hätten.»
    Er schloss seinen Wagen auf, stand noch neben der Tür und schaute mich nachdenklich an. «Schaffst du das?»
    Einen Mörder kitzeln? Es war zu abstrakt, deshalb konnte ich nicken.
    «Ich weiß, dass du mir nicht glaubst», sagte Jürgen. «Aber es ist leichter, durch die Hölle zu

Weitere Kostenlose Bücher