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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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sein. Du irrst dich.» Er wurde ruhiger. «Jetzt zieh dich an, dann fahren wir. Dann werden wir ja sehen.»
    Ich ging zurück ins Schlafzimmer, und gerade als ich dachte, ich könnte die hellgraue Bluse und den schwarzen Rock anziehen, klingelte unten das Telefon. Ich war mit einem Satz wieder am Geländer. Jürgen hatte bereits den Hörer am Ohr.
    Er schrie: «Was?» Nur dieses eine Wort. Danach legte er auf. Seine Schulter sackten nach unten. Er schaute zu mir hoch, ich sah ihn heftig schlucken. «Das war Anne. Vor ein paar Minuten war ein Streifenwagen am Gymnasium. Sie haben Armin aus dem Unterricht geholt. Anne hat gesehen, dass sie ihn abführten.»

11.   Kapitel
    Armin! Der nette junge Mann mit der Brille und dem Kopf eines Oberstudienrats, mit dem Jürgen sich so blendend unterhalten hatte, der für Rena die väterlich verordneten Reitstunden sausen ließ, um ihr Mathematik beizubringen. Abgeführt von der Besatzung eines Streifenwagens! Es klang so ähnlich wie: von grünen Männchen in einem UFO entführt.
    Ich fasste es nicht. Jürgen fasste es nicht. Ich hatte mich gerade erst mit schwerem Herzen zu Horst durchgerungen und Jürgen hielt das für unmöglich. Armin, das war völlig ausgeschlossen. Und das war es tatsächlich.
    Mag sein, dass es in Annes Augen wie eine Festnahme ausgesehen hatte. Anne sagte später, Armin sei mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern zwischen den Uniformierten zum Streifenwagen getrottet. Seine Hände wären für sie nicht zu sehen gewesen. Er hielt sie vor dem Bauch und drängte Anne so den Verdacht auf, dass sie mit Handschellen gefesselt waren.
    Das waren sie bestimmt nicht. Die beiden Uniformierten hatten Armin nur abgeholt, weil Klinkhammer nicht die Zeit hatte. Klinkhammer und Olgert hatten ein Verhör mit wenig Erfolg geführt. Der Mann, dem sie ihre Fragen stellten, weigerte sich hartnäckig, auch nur eine zu beantworten.
    Ich kann nur raten, wie oft sie ihm das «O mein Gott»-Band vorspielten, wie oft sie wissen wollten, ob er diese Sätze gesprochen hatte, wie oft sie ihm ins Gesicht sagten, er sei es gewesen. Sie wüssten es genau, weil sie eine Zeugin hätten, die ihn eben diese Sätze mit genau derselben Verzweiflung habe sagen hören.
    Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie sie ihm zugesetzt haben. Und er war doch ohnehin am Ende, wurde vom eigenen Vater Mörder geschimpft, gab sich die Schuld am Tod seiner Schwester und ihrer Kinder. Sie hatten ihn die ganze Nacht in der Mangel gehabt, es auf die harte Tour versucht und auf die weiche. Bis zum Morgen hatten sie ihn bearbeitet – Klinkhammers eigene Worte.
    Während wir uns die Köpfe heiß redeten, redeten sie auf ihn ein. Als Jürgen sich in den Schlaf weinte, saß er in ihrem Büro – festgenommen unter dringendem Tatverdacht. Und der Witz war, sie hatten nichts in der Hand, absolut nichts.
    Sie hatten nur die Aussage der Putzfrau, die kurz nach sieben am Morgen des 9.   September das Krankenzimmer mit der Nummer 205 betrat, um ihre Arbeit zu tun. Die einen neuen Patienten im Bett am Fenster liegen sah. Rudi Kuhlmann, der am Tag zuvor Frau und Kinder verloren hatte!
    Und neben ihm saß ein junger Mann. Sonst war niemand im Zimmer. Der junge Mann hatte den Kopf an die Brust des Patienten gelegt. Er weinte und bettelte: «Rudi, sag was! Rudi, sag doch was!» Er stammelte: «Ich konnt nichts dafür, Rudi. Ich wollt ja fahren, aber Hennes hat mich festgehalten.»
    Rudi Kuhlmann starrte blicklos zur Zimmerdecke, reagierte nicht. Erst als der junge Mann mit beiden Händen sein Gesicht umfasste, murmelte er tonlos: «Hau ab, du Versager.»
    Und dann hörte die Frau dieses atemlose Schluchzen, hörte genau die Worte, die wir alle unzählige Male gehört hatten: «O mein Gott. Sag doch nich so was. Das halt ich nich aus. Ich kann nich mehr.»
    Udo von Wirth am Bett seines Schwagers.
    Um sechs in der Früh hatten sie ihm eine kurze Pause und ein Frühstück gegönnt. Danach stürzten sie sich erneut auf ihn. Er schwieg zwei Stunden lang, schaute zum Fenster hinüber, während Klinkhammer und Olgert sich abwechselten, ihn zu einemGeständnis zu überreden. Ein paar Minuten nach acht sagte Udo: «Ich will mit Armin sprechen. Ich muss ihm was sagen. Und ich red nur mit ihm.»
    Deshalb wurde Armin aus der Schule geholt. Er saß noch mit Udo in Klinkhammers Büro, als wir ankamen. Olgert war im Nebenraum, führte durch einen Spalt in der Zwischentür die Aufsicht. Klinkhammer stand auf dem Gang

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