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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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vor der Tür, das Gesicht halb von den Haaren verdeckt.
    Er sah übernächtigt aus, hielt eine Zigarette in der linken und einen Plastikbecher mit Kaffee in der rechten Hand. Als er uns kommen sah, versuchte er seine Mähne mit Hin- und Herwerfen des Kopfes hinter die Ohren zu bringen. Es sah aus wie nervöse Zuckungen. Er verdrehte die Augen, warf die Zigarette in den Kaffee, stellte den Becher auf den Boden und sagte: «Das fehlt mir noch.»
    Ein paar Sekunden standen wir schweigend da. Jürgen betrachtete die Tür. Man hörte, dass dahinter gesprochen wurde, zu verstehen war nichts. Jürgen bestand darauf, mit Armin zu reden.
    «Die Gelegenheit kriegen sie, wenn er rauskommt», sagte Klinkhammer. Er klang erschöpft, warf einen Blick auf seine Armbanduhr. «Geben wir ihm noch zehn Minuten.»
    Er hob den Plastikbecher an und erkundigte sich: «Wollen Sie auch einen Kaffee?»
    Jürgen nickte für uns beide. Klinkhammer öffnete die Tür zum Nebenraum und beauftragte Olgert, drei Becher zu holen, nachdem er sich erkundigt hatte: «Wie steht’s?»
    «Er hustet uns was», sagte Olgert.
    Klinkhammer presste wütend die Lippen aufeinander.
    «Das kann nicht Ihr Ernst sein», sagte Jürgen. «Ich kann mir eine Menge vorstellen, aber das nicht. Was haben Sie in der Hand gegen den Jungen?»
    Klinkhammer wiegte den Kopf, klemmte endlich seine Haare fest und schaute Olgert nach. «Nicht viel. Aber was wir haben, passt. Wir haben die Uhr; sie hängt im Wohnzimmer seiner Eltern.Wir haben eine Melkanlage; sie erzeugt ein Geräusch wie das, was Ihre Tochter beim ersten Anruf gehört und beschrieben hat. Ihre Tochter müsste sich das mal anhören.»
    «Melkanlage?», fragte Jürgen irritiert.
    Das Missverständnis war rasch geklärt. Als Klinkhammer das Funktelefon erwähnte und die Vermutung äußerte, dass der erste Anruf am Morgen nach Renas Verschwinden aus dem Kuhstall gekommen sein könnte, wussten wir beide, wer gemeint war.
    Jürgen sackte in sich zusammen wie ein Ballon, dem die Luft entweicht. Er legte die Hände vors Gesicht und stöhnte: «O mein Gott.»
    «Das haben wir auch», sagte Klinkhammer mit einem Seufzer. «Und dann haben wir noch die feine Gesellschaft. Es dürfte sich dabei um die Gäste gehandelt haben, die sich im Wohnhaus seiner Eltern für die Beerdigung seiner Zwillingsschwester und ihrer Kinder sammelten.»
    Er schaute mich an, als wolle er sich entschuldigen. «Dezentes Murmeln, gebrüllt hat da garantiert niemand. Aber wenn jemand im Wohnzimmer zurückbleibt, um noch rasch zu telefonieren, kann es vorkommen, dass eine Frau ruft: ‹Wo bleibst du denn?› Oder: ‹Was machst du denn?› Es tut mir Leid. Ich hätte es eher sehen müssen, viel eher. Ich hätte es schon an dem Freitag sehen müssen. Hennessen bestand darauf, dass Rena zu Udo wollte. Wenn ich ihm da die richtigen Fragen gestellt hätte   … Da war er wirklich am Ende. Inzwischen hat er sich erholt.»
    Olgert kam mit einem Tablett zurück, auf dem drei dampfende Kaffeebecher standen. «Vorsicht», sagte er, «die Dinger sind heiß.»
    Jürgen schüttelte den Kopf, sein Gesicht noch in den Händen verborgen. Als er die Hände endlich herunternahm, strich er mit den Fingern unter den Augen die Tränenspuren weg.
    Mir war nicht nach Weinen. Ich hatte einen Kloß in der Kehle und dachte, der heiße Kaffee hätte ihn fortgespült. Das tat er nicht, auch Räuspern machte den Weg für die Stimme nicht frei.
    Man konnte die Plastikbecher wirklich kaum in den Händen halten. Es wunderte mich, dass sie nicht schmolzen oder sich zumindest verformten. «Legen Sie ein Taschentuch drum», riet Olgert, als er sah, wie ich meinen Becher von einer Hand in die andere jonglierte. Das Gemurmel hinter der Tür schwoll an und ab. Klinkhammer schaute wieder auf seine Uhr. Die zehn Minuten, von denen er gesprochen hatte, waren längst um.
     
    Es war unwirklich. Da standen wir zu viert vor einem Polizeibüro. Zwei Kriminalbeamte tranken Kaffee. Olgert hatte sich den dritten Becher genommen, weil Jürgen ihn nicht wollte. Und in ihrem Büro saßen zwei junge Männer, von denen einer einen Mord gestehen sollte. Ich fand es ungewöhnlich, dass sie einen Achtzehnjährigen einsetzten, sich das anzuhören. Damit war so ein Junge doch überfordert.
    Klinkhammer grinste müde. «Der Professor hält was aus, um den machen Sie sich mal keine Sorgen. Davon abgesehen, von einem Geständnis ist von Wirth weit entfernt. Er weiß genau, dass wir ihm nicht viel beweisen

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