Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
können. So betrachtet sitzen da nur zwei junge Männer, die sich gut kennen, und sie unterhalten sich. Etwas anderes dürften wir auch gar nicht erlauben.»
    «Was soll dieser Zirkus?», fuhr Jürgen auf. «Was versprechen Sie sich davon? Ich begreife das nicht. Udo! Das ist   … Das ist Wahnsinn.» Dann stutzte er. «Er war doch gar nicht im Dorf. Er war an dem Abend und in der Nacht bei Kuhlmann.»
    «Nicht die ganze Nacht», sagte Klinkhammer. «Die Nachtschwester hat ihn gegen zehn hinausgeworfen. Eine exakte Uhrzeit bekommen wir leider nicht. Es kann fünf Minuten vor, zehn Minuten nach, es kann auch Viertel vor zehn gewesen sein.»
    Jürgen schüttelte den Kopf, gleichzeitig machte er eine Abwehrbewegung mit den Händen. «Vergessen Sie’s. Das haut nicht hin, nicht mal mit Viertel vor zehn. In der Nacht brauchte er mindestens eine halbe Stunde bis ins Dorf.»
    «Nicht unbedingt», widersprach Klinkhammer ruhig. «Er dürfte kräftig aufs Gas getreten haben, vielleicht in der unterschwelligen Hoffnung, den Weg zu nehmen, den seine Schwester gegangen war.» Er war so ernst und dabei so deprimiert, was die nachfolgenden Worte noch unterstrich.
    «Herr Zardiss, von Wirth war an dem Abend in einer fürchterlichen Verfassung. Da hätte ein falsches Wort gereicht. Nehmen wir nur einmal an, Ihre Tochter hat ein bisschen gejammert über die verletzte Stute oder den Verkauf des Hengstes. Von Wirth hatte den Menschen verloren, von dem seine psychische Stabilität abhing.»
    «Das wusste meine Tochter», sagte Jürgen.
    Klinkhammer schüttelte langsam und nachdrücklich den Kopf. «Sie wusste, dass er seine Schwester verloren hatte und dass er sehr an ihr hing. Welche Bedeutung Annegret für ihren Bruder tatsächlich hatte, konnte Ihre Tochter nicht einmal ahnen.»
    «Sie hätte ihm trotzdem nichts von Pferden erzählt in dieser Situation», beharrte Jürgen.
    Klinkhammer zuckte mit den Achseln und betrachtete die Tür, hinter der Udo und Armin saßen. «Um vier Uhr in der Nacht hatte er einen schweren Unfall, behauptet er. Ich würde es ihm glauben, wenn es auf einer Straße passiert wäre. Aber wenn jemand in einer Kiesgrube herumkurvt, sich mühsam mit dem Auto auf die Bruchkante hinaufarbeitet und dann zehn Meter tief abstürzt, glaube ich nicht an einen Unfall, sondern an eine Selbstmordabsicht. Das Merkwürdige daran ist nur: Er wurde nicht verletzt. Keinen Kratzer hat er abbekommen. Können Sie sich vorstellen, wie ein Auto aussieht, das zehn Meter tief in ein Kiesbett knallt? Und haben Sie auch eine Vorstellung, wie die Insassen aussehen?»
    Jürgen starrte ihn an. Ich trank einen Schluck Kaffee, er war immer noch zu heiß. Aber sich die Zunge zu verbrennen war ein realer Schmerz, und was Klinkhammer sagte, verursachte nur ein Brausen im Kopf.
    «Ich denke», sagte er bedächtig, «es war weder ein Unfall noch ein Selbstmordversuch. Es ging lediglich darum, ein Auto loszuwerden, in dem wir Spuren hätten finden können. Sein Auto ist übrigens schon am nächsten Tag in die Schrottpresse gewandert. Das hat er sich sogar eine Kleinigkeit kosten lassen, damit es nicht erst noch auf Halde gelegt wurde. Für mich ist die Sache damit klar.»
    Jürgen schüttelte noch einmal fassungslos den Kopf und schaute auf die Bürotür. Sie wurde geöffnet. Armin trat auf den Gang hinaus. Im selben Moment war Olgert im Büro verschwunden und die Tür wieder zu.
    Armin sah aus, als sei ihm in den letzten Minuten übel geworden. Klinkhammer musterte ihn in gespannter Erwartung.
    «Er hat   …», begann Armin, schluckte einmal trocken und starrte begehrlich auf den Becher in meiner Hand. «Kann ich auch eine Cola haben? Ich habe einen trockenen Hals.»
    «Was hat er?», drängte Klinkhammer.
    Ich hielt Armin meinen Becher hin. «Es ist Kaffee, und ich habe schon getrunken. Aber er ist noch heiß.»
    Armin lehnte mein Angebot mit einem Kopfschütteln ab. Als er erneut zu sprechen begann, kamen die Worte so rasch, als wolle Armin es nur noch hinter sich bringen. «Er sagte, er hat sie aufgeschlitzt. Aber er hätte es nicht gewollt. Er könne es auch nicht verstehen und sich nicht an alles erinnern. Er sagte, er weiß nur noch, dass er sie streicheln wollte. Und dann war plötzlich alles voller Blut. Und ihre Därme hingen raus.»
    Armins Kehle ruckte vor, er gab einen Laut von sich wie ein in letzter Sekunde unterdrücktes Würgen, riss eine Hand vor den Mund und stürzte den Gang hinunter.
    In meinem Hirn machte es klack, einfach

Weitere Kostenlose Bücher