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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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nicht heimlich hineinschleichen wie sonst. Hennessen ist noch bei den Tieren und bei der Einfahrt steht ein grauer Kleinbus. Als der Bus abfährt, sieht er Rena im Regen stehen und   …
    Er war verliebt in sie. Das wusste ich mit Sicherheit! Verliebtheit ist ein großartiges Gefühl. Enttäuschung ist auch ein großes Gefühl; das Wissen, dass es für dieses junge, gesunde Mädchen immer nur der kranke, schwache, bedauernswerte Horst sein wird   …
    Dass ich einschlief, spürte ich nicht. Ich wachte auf, als Jürgen neben mir mit einem Fluch in die Höhe fuhr. «Verdammt, wir haben verschlafen. Steh auf, Vera, steh auf.»
    Er war bereits auf dem Weg ins Bad. «Mach mir nur rasch einen Kaffee. Es ist keine Zeit mehr für ein Frühstück.»
    Es war Viertel nach acht. Der Radiowecker musste um sechs angesprungen sein. Einer von uns hatte wohl im Schlaf auf den falschen Knopf gedrückt und ihn abgestellt.
    Ich fühlte mich, als hätte ich Steine im Kopf und in den Füßen. Horst! Das kleine, schmächtige Kerlchen ein Mörder? Es war unvorstellbar. Ein Mensch, der Angst vor dem Tod hat, kann doch nicht töten. Natürlich kann er! Man weiß doch, wie so etwas abläuft. Ein Mädchen steigt arglos in das Auto eines Freundes. Er wird zudringlich. Sie wehrt ihn ab. Er wird heftig. Sie schreit oder droht mit Konsequenzen. Er bringt sie zum Schweigen aus Angst, dass sie ihn verrät.
    Jeder Handgriff war wie etwas, das ich zum ersten Mal tat. Kaffee machen! Routine, jahrelang Tausende von Malen ausgeführt, in letzter Zeit seltener. Trotzdem, man verlernt es nicht, und plötzlich ging es nicht mehr. Ich sah nicht unsere Küche, nicht den Wasserbehälter der Kaffeemaschine. Ich sah nur das Gesicht der Putzfrau in Vaters Zimmer, wie sie den Anrufbeantworter anstarrte, die Stirn runzelte, wie sie murmelte: «O mein Gott.»
    Und ich sah Horst in unserem Keller sitzen, hörte ihn mit Rena über ihr Geburtstagsgeschenk sprechen. «Morgen bin ich der glücklichste Mensch.»
    «Manchmal wünsche ich mir», sagte Horst, «ich könnte den Teufel auch einmal reiten. Aber das Risiko gehe ich lieber nicht ein. Wenn Mattho mich abwirft   …»
    Ich kippte die Hälfte vom Wasser neben die Maschine. Als Jürgen herunterkam, war ich erst dabei, den Filter einzustecken.
    «Lass es», sagte er. «Geh rauf und zieh dich an, ich kümmere mich um den Kaffee.»
    Es war halb neun. Ich stand vor meinem Kleiderschrank und wusste nicht, was ich anziehen sollte. Bis dahin war es nie ein Problem gewesen, nur ein In-den-Schrank-Greifen. Und jetzt war da eine unsichtbare Mauer. Ende! Aus und vorbei! Genug gewartet, Vera! Die Zeit der Ungewissheit ist überstanden.
    Und ich wünschte sie mir zurück, diese Zeit. Alles war besser als das! Wann beginnt für einen Kriminalbeamten der Dienst? Um acht oder um neun? Oder hatten Klinkhammer und Olgert dieNacht durchgemacht? Mit Horst? Sie hatten von der Frau seinen Namen gehört. Sie mussten ihn gehört haben. Und natürlich hatten sie sich sofort auf den Weg gemacht, ihm ein paar unangenehme Fragen zu stellen. Warum hatten sie noch nicht angerufen?
    «Ruf Klinkhammer an!», rief ich zur Galerie hinüber. «Jetzt, sofort, ich halte das nicht mehr aus.»
    Was trägt man an so einem Tag? Man kann nicht irgendeinen Rock und irgendeine Bluse aus dem Schrank nehmen, wie man es sonst tut. Vielleicht eine geblümte Bluse oder eine gestreifte, und am Ende ist es zu bunt. Ich hörte Jürgen in der Diele am Telefon hantieren. Aber als er sprach   … «Jasmin, es wird etwas später. Wir müssen noch zur Kripo. Wer hat den ersten Termin?» Dann sagte er noch: «Nein, auf keinen Fall, das mache ich selbst. Das muss ich mir nochmal ganz genau ansehen. Ich glaube, da stimmt was nicht. Sag Frau Jankowik, warum wir später kommen, sie versteht das.»
    Er legte auf und rief nach oben: «Ich will ihn nicht anrufen, Vera, ich will zu ihm. Ich lasse mich doch jetzt nicht am Telefon vertrösten. Mach voran.»
    «Es ist Horst», sagte ich. Ich hatte noch nichts gefunden, was ich anziehen konnte. So wie ich war, ging ich auf die Galerie und schaute übers Geländer. Jürgen stand mit offenem Mund in der Diele und schüttelte voller Abwehr den Kopf.
    «Sag das nochmal!»
    Ich schüttelte ebenfalls den Kopf und wiederholte: «Es ist Horst. Ich nehme an, die Putzfrau kennt ihn aus dem Krankenhaus.»
    «Das», sagte Jürgen, brach ab und begann von neuem: «Das ist doch nicht möglich. Nein, Vera! Nicht dieses Hemdchen! Das kann nicht

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