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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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sie minutenlang still, nur die Lider flatterten ein paar Mal. Genug Kraft, um die Augen noch einmal zu öffnen, hatte sie anscheinend nicht mehr. Als sie weitersprach – flüsterte   –, blieben sie geschlossen. «Jetzt wollte ich dir eigentlich sagen, du kannst wiederkommen, wenn du deinen Teil eingelöst hast. Wenn Paul hier war, erzähle ich dir was. Aber Regina sagte, du bist auch nur ein armes Schwein und ich soll nett zu dir sein. Und ich glaube, ich habe nicht mehr viel Zeit.»
    Noch eine winzige Pause. «Soll ich mal ganz gemein sein», flüsterte sie, «und dir erzählen, wir hätten dein Pferdchen im Regen stehen lassen?»
    Ich musste ebenfalls die Augen schließen. «Ihr habt sie stehen lassen. Es gibt einen Zeugen, der es gesehen hat.»
    Sie brachte so etwas wie ein Lächeln zustande. «Der Typ im roten Kadett? Hat er gesagt, er hat es gesehen? So ein Arschloch. Er kann überhaupt nix gesehen haben. André hat sie zu mir rübergeschickt,weil’s auf seiner Seite zu gefährlich war. Sie wollte nicht mit, weißt du, sie wollte partout nicht mit. Wochenlang hat sie eine Ausrede nach der anderen gefunden. Zuletzt sagte sie, sie kann nicht unauffällig ein paar Klamotten aus dem Haus schmuggeln, weil Lenchen ihr immer auf die Finger schaut. Ich habe ihr versprochen, dass ich den Koffer für sie packe. Dass ich all die Sachen von mir reintue, die sie so gerne mochte. Wir haben ihr den Koffer gezeigt, morgens an der Schule. Ich hatte ihr sogar eine Zahnbürste eingepackt, nagelneu natürlich. War noch in der Folie.»
    «Hast du auch deinen Schlapphut für sie eingepackt?»
    Ich bereute die Frage auf der Stelle. Ich hatte sie damit aus dem Konzept gebracht oder verwirrt. Sie blinzelte und war still. Minutenlang hörte ich nur ihren rasselnden Atem. Dann hob sie eine Hand ein wenig an und deutete zum Nachttisch. Dort stand ein Becher mit Tee und einem Strohhalm. Ich hob ihren Kopf an und ließ sie trinken. Auch danach dauerte es noch eine Weile, ehe sie weitersprach.
    «Ich hasse Hüte, ich hasse blöde Fragen. Und ich hasse es, wenn einer versucht, mich zu linken. Eigentlich hasse ich im Moment alles. Ich hab nicht gebettelt, dass du kommst. Es war deine Idee.»
    «Gut», sagte ich. «Ich werde keine Fragen mehr stellen. Erzähl weiter.»
    «Sag zuerst bitte.»
    «Bitte, erzähl weiter.»
    «Sie hat sich die Sachen angeschaut und gesagt, sie denkt drüber nach. Ich konnte mir an zwei Fingern ausrechnen, dass sie mich hängen lässt, wo sie nun einen Gaul hatte. Ich habe zu André gesagt, wir versuchen es heute Abend beim Stall. Wenn sie rauskommt, schnappen wir sie einfach. Ich hatte mir ein bisschen Äther besorgt. Kannst du nachprüfen, wenn du mir nicht glaubst. Wir hatten in Bio damit hantiert. Drosophila melanogaster haben wir darin ersäuft, pfundweise. Ich wusste nicht, wie viel ich brauchefür einen Menschen. Da habe ich es ein bisschen übertrieben. Tut mir echt Leid. Sie war die ganze Nacht weggetreten. Ich hab schon gedacht, ich hätte sie umgebracht. André hat sich fast in die Hosen geschissen. Das Zeug war ja nicht sauber. Ich meine, der Äther war nicht für Menschen gedacht. Aber es hat funktioniert. Am nächsten Tag hatte sie höllische Kopfschmerzen und gekotzt hat sie, ich dachte, sie hört nie wieder auf.»
    Nita erzählte noch mehr, unterbrochen von langen Pausen der Erschöpfung, von Hustenanfällen, Keuchen und Schnaufen, mit einer Stimme, die immer schwächer wurde – an einem Mittwoch im Dezember, drei Tage vor Weihnachten. «Ihr Kinderlein kommet, kommt endlich heim   …»
    Ich höre sie heute noch flüstern, ächzen und wispern. Von Renas Kopfschmerzen und ihrer Übelkeit. Und ich höre Olgert sagen: «Wenn sie sich drei Tage in diesem Bus aufgehalten hätte wie Menke und Kolter   …»
    Nita sagte, es wäre nur ein Tag gewesen und Rena hätte ihn ausschließlich auf der zweiten Wolldecke verbracht, die sie bei sich hatten, die sie danach wegschmeißen mussten, weil sie so versaut war. Rena sei auch nicht dazu gekommen ihr Regencape auszuziehen oder ihre Schuhe. Am Freitagabend hätte Rena den Bus verlassen – in derselben Kleidung, die sie trug, als sie hineingezerrt wurde. Angeblich habe Rena nur ein bisschen frische Luft schnappen und irgendwo ein trockenes Brötchen auftreiben wollen, um ihrem geschundenen Magen ein Häppchen zu bieten.
    Zu diesem Zeitpunkt hätte es so ausgesehen, als füge sie sich in ihr Schicksal. Bevor sie ausgestiegen sei, hätte sie von Mattho

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