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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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und ich wieder mein eigenes sah. Und dann sah ich Hennessen blass werden. Ich wollte noch einmal mit ihm reden. Nein! Ich wollte ihn mit einer Mistgabel an die Stallwand nageln, schlüpfte in die Duschkabine und nahm mir nicht einmal die Zeit, die Wassertemperatur zu regeln. Aber als ich endlich auf der Galerie stand, rief Vater nach mir. Und ich schaffte es auch nicht, ihn zu ignorieren.
    Er war so klein und so alt, wie er da im Bett lag. Ein Blick auf ihn legte mir die Worte auf die Zunge. Und er nahm sie mir alle aus dem Mund. «Wie fühlst du dich, Vera? Sag nichts, ich weiß es, grauenhaft. Es tut mir Leid. Es tut mir so unendlich Leid, Vera.»
    Ich hatte ihn nie weinen sehen. Mein starker Vater, unser Patriarch; der Wagner-Fan, der die gesamte Familie mit seinem nächtlichen Musikterror schikanierte, er wischte sich über die Augen, presste sich ein Tuch unter die Nase. Als er es nach ein paar Sekunden fortnahm und einen prüfenden Blick darauf warf, sah ich den roten Fleck.
    «Du hast Nasenbluten.»
    «Es ist nicht so schlimm.»
    «Und was macht dein Arm?»
    «Er ist nur ein wenig taub. Vergiss das jetzt mal. Jürgen übertreibt wieder.» Er presste das Tuch erneut unter die Nase, griff mit der freien Hand unter sein Kopfkissen, zog einen Scheck hervor, drückte ihn mir in die Finger. «Ich habe ihn schon vor einer Woche ausgestellt. Ich dachte, über kurz oder lang fragt Jürgen mich ohnehin, ob ich ihm aus der Patsche helfen kann. Bei der Bank hat er doch nichts bekommen oder?»
    Ich wusste es nicht genau. Jürgen hatte am Donnerstag nicht davon gesprochen, wie sein Termin in der Bank verlaufen war. Hingegangen war er, um einen Kredit für die Renovierung der Stallungen aufzunehmen. Vorher hatte er zu mir gesagt: «Ich runde die Summe auf, dann können wir das mit Bella in einem Aufwasch erledigen.» Später hatte er nichts mehr gesagt. Ein sicheres Zeichen für ein Nein.
    Vater lächelte flüchtig. «Das dachte ich mir. Und Hennessen ist nicht der Mann, der lange auf sein Geld wartet.»
    Der Scheck war auf fünftausend Mark ausgestellt. «Aber jetzt denke ich», sagte Vater, «dass du mit dem Geld etwas Vernünftigeres anfangen kannst, als die Stute zu bezahlen. Engagiere jemanden, vielleicht einen pensionierten Kriminalbeamten. Keinen Windhund, Vera, einen zuverlässigen Mann, der seine Zeit nicht auf mehrere Fälle verteilen muss.» Den letzten Satz flüsterte er: «Aber sag deiner Mutter nichts davon. Lass sie weiter glauben, was die Polizei sagt.»
    Er glaubte es nicht. Er glaubte allerdings auch nicht, dass Hennessen etwas mit Renas Verschwinden zu tun hatte. «Man schaut zwar keinem hinter die Stirn», sagte er. «Aber ein bisschen Menschenkenntnis wirst du mir zugestehen. Ich habe mich häufig mit ihm unterhalten und gesehen, wie er mit den jungen Leuten umgeht. Er ist ihr Kumpel, Vera. Ihr guter Kamerad. Er würde ihnen kein Haar krümmen.»
    «Aber die Sache mit der Fuchsstute ist merkwürdig», widersprach ich. «Wer sollte denn ein Interesse daran gehabt haben, das Tier abzumetzeln? Und warum hat er es Klinkhammer beim ersten Besuch verschwiegen?»
    «Verschweigen würde ich das nicht nennen. Hennessen dürfte unter Schock gestanden haben», meinte Vater. «Seine Pferde sind seine Kinder und eine trächtige Stute ist für ihn wie eine schwangere Frau. Ich bin kein Psychologe, aber ich denke, dass er es selbst noch nicht glauben konnte. Also konnte er auch nicht darüber reden.Tu, was ich dir sage, Vera, engagiere jemanden. Und lass Hennessen in Ruhe. Der Mann hat genug Probleme.»
    Ich saß länger als eine Stunde bei ihm. Wir überlegten, wie es gewesen sein könnte. Rena verlässt den Reitstall. Hennessen hat ihr geraten, den Weg durchs Dorf zu nehmen. Das hat sie vor. Sie will zu Udo. Doch bei der Einfahrt steht ein grauer Kleinbus!
    Dass der Bus etwas damit zu tun hatte, glaubte Vater auch nicht. «Ein Entführer hätte sich längst gemeldet.»
    Also steht Rena bei den von Wirths vor einem verschlossenen Tor. Sie kämpft sich weiter die Hauptstraße hinauf. Dass die Feuerwehrmänner sie nicht gesehen hatten, müsse nicht viel bedeuten, meinte Vater. Sie seien mit dem Wasser im Keller der Spar- und Darlehenskasse vollauf beschäftigt gewesen, hätten keine Zeit gehabt, die Straße zu beobachten. Und Wind und Regen verschluckten die Schritte.
    Rena will heim, so rasch wie möglich. Und auf halber Strecke durchs Dorf liegt der Gasthof Schwinger. Kneipen haben Telefon. Sie betritt den Schankraum,

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