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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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hinter den Ohren fest und sagte im gleichen Tonfall: «Wir haben den Besitzer des Kleinbusses ermittelt. Er heißt Walter Menke. Sagt Ihnen der Name etwas?»
    Ich schüttelte den Kopf.
    Er lächelte. «Und wie steht es mit André Menke?»
    Sagte mir auch nichts. Aber mein Herz begann zu hämmern, mein Gehirn ebenfalls. Es war doch der Bus! Zwei Männer! Sie konnten es sich nicht leisten, wegen ein paar Kratzern im Lack einen Aufstand zu machen. Sie mussten zusehen, den Tierarzt so rasch wie möglich loszuwerden. Er war für sie ein lästiger Zeuge.
    Klinkhammer intensivierte sein Lächeln. Es hatte einen Hauch von etwas, das ich für Wachsamkeit und Anteilnahme hielt. Aber es war etwas ganz anderes. «Und was ist mit Henrik Emmersen, Uwe Lengries, Janet Abel, Stefanie Burk und Wiltrud Heister?»
    Dieser Mistkerl! Ich war nicht in der Verfassung für messerscharfe Schlussfolgerungen und er genoss es. Als ich erneut den Kopf schüttelte, wollte er sich verabschieden. «Das war’s für den Augenblick.»
    «Moment», sagte ich. «Was ist mit dem Bus? Wer sind Walter und André Menke? Und was haben die anderen damit zu tun?»
    Er zuckte mit den Schultern. «Im Moment kann ich noch nicht viel sagen. Der Bus ist auf Walter Menke zugelassen, sein Sohn benutzt ihn gelegentlich. Zur Zeit wissen wir nur, dass André Menke mit dem Bus unterwegs ist. Seit Donnerstag.»
    «Mit Rena?»
    «Es sieht so aus.»
    Wenn ich es nicht schon geahnt hätte, wäre es mir spätestens in der Sekunde aufgefallen. Klinkhammers freiliegende Ohren waren ein Warnsignal. Sie legten den Polizisten bloß. Sein Lächeln war überheblich und kalt, seine Stimme auch. «Immerhin hat er beim Reitstall auf sie gewartet. Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen, Frau Zardiss. André Menke ist ein guter Freund Ihrer Tochter. Auch wenn Ihnen der Name nichts sagt, Sie kennen ihn. Das heißt allerdings nicht, dass Sie ihn mögen. Er ist nämlich auch ein guter Freund von Nita Kolter. Und die ist ja nicht nach Ihrem Geschmack.»
    Dann ging er, ließ mich sitzen wie ein dummes Kind. So fühlte ich mich auch. André Menke, einer aus Nita Kolters Clique. DieHaustür war kaum hinter Klinkhammer ins Schloss gefallen, da lief ich schon durch die Diele.
    Mutter rief mir nach: «Vera, wo willst du hin? Jürgen sagte, du sollst beim Telefon bleiben. Wenn nun jemand anruft?»
    «Nimm einfach den Hörer ab!», schrie ich, als ich über den Hof lief. Klinkhammer fuhr durch die Einfahrt und beschleunigte. Ob Mutter mich noch rufen hörte, weiß ich nicht. Es war auch nicht wichtig. Sollte sie es klingeln lassen, wenn es klingelte.
    Mutter hatte Angst vor dem Telefon. Sie ging nie ran. Einen einzigen Anruf hat sie entgegengenommen. Vor siebenunddreißig Jahren. Ich weiß es noch, als sei es gestern gewesen. Fünf war ich und wir bekamen ein Telefon. Es war noch etwas Besonderes zur damaligen Zeit. Nicht viele Leute konnten sich den Luxus leisten. Man zählte zu den Privilegierten, wenn man ein Telefon hatte. Aber man konnte auch in seiner Privatsphäre belästigt werden. Vater hatte sich lange dagegen gesperrt, Mutter darum gebettelt. Dann gab Vater nach.
    Wochenlang wurde von nichts anderem gesprochen. Mutter verschickte Postkarten mit unserer Nummer und dem Termin, ab dem wir telefonisch zu erreichen waren. Endlich wurde es angeschlossen, ein klobiger schwarzer Apparat. Ich spielte im Nachbarhaus bei einer Freundin, Mutter holte mich heim, damit ich nichts verpasste. Als wir hereinkamen, kniete noch ein Techniker im Flur. Er testete den Anschluss. Es war alles in Ordnung, er verabschiedete sich.
    Mutter nahm probehalber den Hörer ab, horchte auf das Tuten, freute sich und wartete auf den ersten Anruf. Sie rechnete fest damit, dass Vater der Erste in der Leitung wäre. Und als es um vier endlich klingelte, stürzte sie sich auf den Apparat, riss den Hörer ans Ohr und sprudelte los: «Dolf, es ist wunderbar, es funktioniert.» Dann wurde sie still und blass.
    Es war eine Bekannte ihrer Mutter. Die Frau war für den Nachmittag zum Kaffee eingeladen gewesen und hatte vor verschlossenerTür gestanden. Niemand öffnete auf ihr Klopfen. An den Fenstern waren die schweren Vorhänge zugezogen. Aber das Schlafzimmerfenster im ersten Stock war nicht geschlossen. Die Frau holte sich in der Nachbarschaft eine Leiter und stieg ein.
    Sie fand meine Großeltern im Bett. Tot. Mein Großvater war am Tag zuvor an einem Herzinfarkt gestorben, wann genau, ließ sich nicht mehr feststellen. Bei

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