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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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auseinander setzen konnte. Ich hatte Rena auf die Pferdekoppel getrieben und ein Hengstfohlen hatte sie zwei Jahre lang gehalten.
    Irgendwie schaffte ich es. Die Tür öffnen, zum Bett gehen, mich hinsetzen und die Klappe vom Nachttisch anstarren. Ein paar Minuten vergingen noch, ehe die Finger mir gehorchten. Ich nahm das erste Buch in die Hand, schlug es hinten auf. Die letzte Seite war beschrieben. Die Eintragung lag achtzehn Monate zurück.
    18.   März stand oben in der Ecke. Und darunter:
    Heute war sie wieder an der Koppel. Ich war mit Tanita draußen. Sie hat mir eine Weile zugeschaut. Es war ein komisches Gefühl, fast als ob Mutti oder Papa mir zuschauen. Ich habe Tanita zweimal springen lassen und sie hat mir applaudiert. Gesagt hat sie nichts. Ich habe mich auch nicht getraut. Jetzt tut es mir Leid. Ist doch blöd! Sie ist immerhin meine Großmutter. Mit Lenchen rede ich ja auch.
    Hennes hat sich eine Weile mit ihr unterhalten. Er hat mir letzte Woche schon gesagt, wer sie ist, da hat er ihr garantiert auch gesagt, wer ich bin. Ob sie mich für eingebildet hält, weil ich so getan habe, als wüsste ich es nicht? Ich würde gerne mal mit ihr reden. Hennes sagte: «Du kannst mit ihr reden wie mit dem Pastor. Sie hat ein Herz aus Gold. Einigen Leuten passt eswohl nicht, wie sie lebt, dass sie immer einen Mann im Haus hat. Aber den Männern geht es gut bei ihr. Und von etwas muss sie ja leben. Mit dem Charakter hat das nichts zu tun.» Ich fand es blöd, wie er das sagte, einigen Leuten. Damit hat er uns gemeint.
    Gretchen, dachte ich und blätterte ein paar Seiten zurück, in den Februar des vergangenen Jahres hinein.
    Das war ein beschissener Tag. Die Mathearbeit zurückbekommen. Ich hatte mit einer Vier gerechnet, hat aber nicht gereicht. In Bio sieht es auch schlecht aus. Anne wollte mir ihre alten Hefte geben, hat sie vergessen. Nochmal frage ich sie nicht. Hab keine Lust, ihr immer in den Hintern zu kriechen. Armin hat angeboten, mir zu helfen, umsonst. Er ist ein Ass in Mathe und in Bio steht er auf Zwei. Aber Hennes sagte, bei ihm wird geritten und nicht gerechnet. Wenn Armins Vater dahinterkommt, ist der Teufel los.
    Vielleicht sollte ich nochmal mit Mutti über die Studentin reden, die Frau Burmester mir empfohlen hat. Sie nimmt nur fünfzehn Mark die Stunde. Wenn ich jede Woche einmal Nachhilfe nehme und nur noch alle vierzehn Tage eine Reitstunde, käme es hin. Aber ich höre schon, was Lenchen dazu sagt, dann lassen sie mich am Ende nicht mehr reiten. Es ist alles Scheiße.
    Ich suchte nach einem Hinweis auf Nita und fand auf Anhieb nichts. Erst als ich genauer hinschaute und wirklich Satz für Satz las, stieß ich hier und da auf eine Zeile.
… hat mich in der Pause gefragt, ob ich heute Nachmittag in die Stadt komme.   … scheint sauer auf mich zu sein, weil ich mich nicht mehr sehen lasse.
    Ich nahm das nächste Buch und stolperte auf jeder Seite über den Namen. Eine endlose Liste von vermeintlichen Heldentaten, die jeder Mutter das Blut aus dem Kopf treiben mussten.
    Wir waren in der neuen Boutique am Rathaus. Janet undWiltrud haben die Verkäuferin abgelenkt, Nita hat eine Bluse mitgehen lassen. Einen superteuren Fummel. Mutti hätte sich alle zehn Finger danach geleckt. Nita und Stefanie haben sich die Schuhe damit geputzt. Dann haben wir sie weggeworfen.
     
    Nita hatte Speed dabei. Ich habe auch probiert. Ein irres Gefühl, als ob ich zwei Gehirne hätte und beide voll mit Matheformeln. Wahnsinn, was man mit dem Zeug alles kann. Leider hat’s nicht lange gedauert. Danach habe ich mich ziemlich mies gefühlt. Aber jetzt geht’s wieder. Ich bin nur froh, dass Mutti nichts gemerkt hat.
     
    Wir waren wieder in Köln. Nita wollte unbedingt zum Neumarkt, einen von den Typen anquatschen, die H verkaufen. Sie hat es tatsächlich getan. Der Typ sah aus wie eine Ratte, er war so dreckig. Er hat Nita eine Spritze fertig gemacht. Nita hat sich das Ding in den Arm gestochen. Uwe hat sie angebrüllt: «Bist du wahnsinnig! Bei so einem Scheiß mache ich nicht mit. Ich habe nichts gegen Speed, aber mit H will ich nichts zu tun haben.» Nita hat ihn ausgelacht. Sie hatte nicht in die Ader gespritzt, nur ins Fleisch. Sie sagte, davon wird man nicht süchtig.
    Ich konnte nicht weiterlesen, blätterte nur noch. Die Eintragungen waren alle vor unserem Umzug gemacht worden, die Bücher nicht in zeitlicher Reihenfolge geordnet. Ich suchte nach dem letzten, ohne noch einen Blick für die Eintragungen zu

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