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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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Gehirn-Direktschnittstellen beschäftigt hat.
Bei seinem Studium liegt der Schwerpunkt natürlich auf der
Entwicklung einer Schnittstelle zwischen Bewußtsein und
Simulator, so daß das Bewußtsein spielerisch
experimentiert – das ist nach den Maßstäben des
konventionellen Maschinenbaus zwar teuer, aber es lohnt sich dennoch,
weil dadurch die Produktkonzeption optimiert wird.
    Hier indes geht es eher um Authentizität als um
Präzision an der Schnittstelle. Das heißt, es geht viel
weniger darum, was Ann – beziehungsweise Synthi Venture –
genau fühlt, sondern darum, die Handlung so authentisch
rüberzubringen, daß sie real wirkt und nicht wie ein Traum
oder eine Animation. Pseudo-Wahrheit ist wichtiger als die Wahrheit
selbst, sagt Jesse sich.
    Im Moment manipulieren die Leute vom Sender an ihrem Gehirnsektor
herum, der beim Singen aktiviert wird. Eines der Resultate ist
Übelkeit, was wahrscheinlich an den kleinen Falten eines
erbsengroßen Knotens liegt, der sich in diesem Abschnitt
befindet; sie stimulieren sie, identifizieren die Störstelle,
regulieren die angelegte Spannung und versuchen es erneut.
    Es wird ein sehr langer Tag, und schließlich erfährt
Mary Ann von einem Arzt, das Problem würde zum Teil darin
bestehen, daß sie »einen richtigen Urlaub gemacht
hat«.
    »Ist das ein Verbrechen?«
    »Nun, in der Regel wird man deswegen nicht ins Gefängnis
gesteckt, aber Sie üben schließlich auch einen nicht ganz
alltäglichen Beruf aus. Wenn Sie dort Urlaub gemacht
hätten, wo Sie sonst arbeiten, und zwar inkognito, um den
Streß zu vermindern, und die ganze Zeit am Pool gelegen und
Früchtepunsch getrunken hätten, anstatt Neuronen absterben
zu lassen, dann hätte Ihre Gehirnstruktur sich auch nicht
verändert. Alles wäre noch so, wie die Maschine es vor
Ihrem Urlaub arrangiert hatte. Aber Sie haben neue Dinge ausprobiert,
und Lernprozesse verändern nun mal die Struktur des Gehirns. Die
fundamentalen Strukturen sind zwar noch vorhanden, aber sie sind
leicht modifiziert worden. Vielleicht merken einige Zuschauer auch,
daß Sie nicht mehr die alte Synthi Venture sind – wenn
jemand aus einem realen Urlaub zurückkommt, passiert das
immer.«
    »Wird Rock deshalb laufend der Verschwörung
verdächtigt?«
    »Ja. Diesem Kerl fällt in seiner Freizeit immer etwas
Neues ein. Die Feinstruktur seines Gehirns gleicht den Konturen der
norwegischen Küste. Wogegen der arme alte Quaz – nun, er
war ein netter Kerl, aber er hätte sich wirklich nicht dreimal
winden müssen, um seine Gehirnzellen
aneinanderzureihen.«
    »Armer alter Quaz? Was ist mit ihm?«
    Sie wußte es noch nicht, und als sie es erfährt, bricht
sie in Tränen aus. »Ich mochte ihn nicht mal besonders,
aber ich habe ihn auch nie richtig kennengelernt…« Sie
umklammert Jesses Hand.
    Der Arzt nickt. »Sehen Sie? Und zu allem Überfluß
haben Sie auch noch Gefühl entwickelt.«
    Als sie sich in dieser Nacht lieben, stellt Jesse sich vor,
daß auf der ganzen Welt Millionen Mädchen in seinem Alter
sich in Synthi Venture eingeloggt haben und spüren, was er mit
ihr macht, millionenfach mit ihren Körpern wie Marionetten auf
den Rhythmus reagieren, den er ihnen aufzwingt. Es ist
großartig; nichts, weshalb er sich Gedanken machen
müßte.
    Mit der Ausnahme natürlich, wie er sich kurz vor dem
Einschlafen sagt, daß sich auch Tausende runzliger alter Omas
– und Opas – in Synthi Venture eingeloggt hatten…
    Mary Ann spürt, daß er sich verspannt, fragt ihn, was
los sei, dreht sich um und legt ihm eine Hand auf die Brust. Er
erzählt es ihr, und nun, da er wieder wach ist, kuscheln sie
sich kichernd aneinander.
    »Hast du dich entschlossen?« fragt er. »Sie
überlassen die Entscheidung dir.«
    »Ja. Ab jetzt werde ich definitiv als Mary Ann auftreten,
obwohl sie natürlich für beide Namen Werbung machen werden,
bis es ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gedrungen ist,
daß Synthi und Mary Ann ein und dieselbe Person sind. Ich
glaube sowieso, daß meine künstliche Identität
zwangsläufig Probleme aufwerfen mußte. Wenn man eine
fremde Identität aufgezwungen bekommt und über ein
Mindestmaß an Selbsterhaltungstrieb verfügt, dann kann man
diese fremde Persönlichkeit nur von der schlechten Seite
darstellen. Das ist auch ein Grund, weshalb die meisten Leute in
diesem Gewerbe entweder ausgebrannt oder Arschlöcher
sind.«
    »Klingt plausibel«, sagt er.
    »Natürlich«, fährt sie dort, »geschieht
es immer wieder, daß meine

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