Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
war), bekam er in dem Jahr, bevor Sophia auf die Welt kam, eine Stelle als Rechtsprofessor in Yale. Für Jed war es ein Traum. Er war der einzige Nachwuchsprofessor an der Fakultät, der Goldjunge im Kreis brillanter Kollegen, die genau so dachten wie er.
Ich hatte mich immer für phantasievoll und einfallsreich gehalten, aber in Gesellschaft von Jeds Kollegen verwandelte sich mein Hirn in Brei. Als wir nach New Haven zogen – ich war mit Sophia im Mutterschutz –, erzählte Jed seinen Freunden an der Fakultät, ich sei ebenfalls an einer Universitätsstelle interessiert, aber wenn sie sich dann nach meinen Interessensschwerpunkten erkundigten, war ich dem Herzinfarkt nahe; ich war so nervös, dass ich nicht denken, geschweige denn sprechen konnte, und wenn ich mich überwand und doch etwas sagte, kamen wirre Sätze mit verqueren Wörtern an verqueren Stellen heraus.
So war die Lage, als ich beschloss, meinen Monumentalroman zu schreiben. Leider hatte ich zur Belletristik kein Talent, wie mir Jeds höfliches Hüsteln und künstliches Gelächter bei der Lektüre meines Manuskripts rasch hättenverraten müssen. Noch schlimmer – Maxine Hong Kingston, Amy Tan und Jung Chang kamen mir alle mit ihren Büchern Die Schwertkämpferin, Töchter des Himmels und Wilde Schwäne zuvor. Ich war erst einmal empört und verbittert, aber ich verschmerzte die Enttäuschung bald und gebar eine neue Idee: Ich besann mich auf meine Familie und nahm mir vor, Studium und kulturelle Herkunft zu verbinden und über Recht und Ethnizität in den Entwicklungsländern zu schreiben; ethnische Zugehörigkeit war sowieso mein Lieblingsgesprächsthema. Recht und gesellschaftliche Entwicklung, inzwischen ein interdisziplinäres Fach, das damals aber kaum jemand studierte, wurde später mein Spezialgebiet.
Die Sterne standen günstig. Kurz nachdem Sophia geboren war, schrieb ich einen Artikel über Privatisierung, Verstaatlichung und Ethnizität in Lateinamerika und Südostasien, den die Columbia Law Review zur Veröffentlichung akzeptierte. Mit meiner druckfrischen Publikation bewaffnet bewarb ich mich an den juristischen Fakultäten im ganzen Land um einen Lehrauftrag. Die Berufungskommission von Yale lud mich zu einem Vorstellungsgespräch ein, und ich sagte in einem hirnrissigen Anfall von Kühnheit zu. Die Kommission bat mich zum Mittagessen in eine furchterregende Institution namens Mory’s, einen Privatklub direkt neben dem Campus, und dort war ich derart zugeknöpft, dass sich zwei Professoren vorzeitig verabschiedeten und der Dekan der juristischen Fakultät den Rest der veranschlagten zwei Stunden damit herumbrachte, mich auf italienische Einflüsse in der Architektur von New Haven hinzuweisen.
Diese Gelegenheit hatte ich verpfuscht, der zweite Termin, bei dem man sich der gesamten Fakultät vorstellt, fand nicht statt. Mit anderen Worten, es waren Jeds Kollegen, die michabgelehnt hatten. Das war nicht ideal – und es machte den gesellschaftlichen Umgang ein wenig kompliziert.
Aber dann bekam ich eine weitere große Chance. Als Sophia zwei war, bot mir die Duke University einen Lehrauftrag an. Ich sagte sofort zu, und wir zogen nach Durham, North Carolina.
8 Lulus Instrument
Lulu und ihre erste Geige
Ich liebte Duke. Meine Kollegen waren großzügig, freundlich und geistreich, und wir schlossen dort viele enge Freundschaften. Der einzige Haken war, dass Jed nach wie vor in Yale arbeitete, und das war 500 Meilen entfernt. Aber wir zogen es durch, pendelten etliche Jahre zwischen Durham und New Haven, wobei der Pendler meist Jed war.
2000, als Sophia sieben war und Lulu vier, lud mich die juristische Fakultät der New York University zu einer Gastdozentur ein. Ich wollte wirklich nicht von Duke fort, aber New York ist New Haven nun mal viel näher; also packten wir unsere Sachen und zogen für ein halbes Jahr nach Manhattan.
Es war eine aufreibende Zeit. In der juristischen Welt bedeutet eine Gastdozentur eine Anstellung auf Probe, sozusagen ein sechsmonatiges Einstellungsgespräch. In dieser Zeitversucht man alle von der eigenen Klugheit zu überzeugen, während man sich gleichzeitig bei ihnen einschleimt. («Aber ich hab noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen, Bernard. Hat dein Paradigmenwechsel-Modell nicht noch viel einschneidendere Folgen, als du dachtest?» Oder: «Ich weiß nicht, aber von Anmerkung 81 in deinem Artikel ‹Recht und Lacan›bin ich noch nicht ganz überzeugt, die ist geradezu
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