Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
Entwicklungsländern befasste und in politischen Kreisen viel Beachtung fand. Wegen dieses Artikels nahm Yale seine Ablehnung zurück und bot mir einen ordentlichen Lehrstuhl an. Ich nahm an – sieben Jahre nach meinem kläglichen Scheitern bei einem Mittagessen –, aber es hatte einen leicht bitteren Beigeschmack. Jed konnteendlich wieder sesshaft werden, und Sophia und Lulu richteten sich definitiv an einer Grundschule in New Haven ein.
Unterdessen hatte auch Lulu bei Sophias Lehrerin Michelle an der Neighborhood Music School mit Klavierunterricht begonnen, und ich hatte das Gefühl, ein Doppelleben zu führen. Um fünf Uhr morgens stand ich auf und schrieb und handelte einen halben Tag lang wie eine Juraprofessorin in Yale, dann hastete ich zurück nach Hause zu den täglichen Musikübungen mit meinen zwei Töchtern, was in Lulus Fall immer gegenseitige Drohungen, Bestechung und Erpressung einschloss.
Wie sich zeigte, ist Lulu von Natur aus hochmusikalisch und besitzt ein ausgezeichnetes Gehör. Leider hasste sie jeglichen Drill, konnte sich beim Üben nicht konzentrieren und redete lieber über die Vögel vor dem Fenster oder die Flecken in meinem Gesicht. Dennoch kam sie rasch durch die Suzuki-Klavierschule und hatte eine großartige Bühnenpräsenz: Zwar spielte sie bei Konzerten nie fehlerlos wie ihre Schwester, doch was ihr an technischer Präzision fehlte, machte sie mit einer Musikalität wett, die der Sophias in nichts nachstand.
Etwa um diese Zeit fand ich, dass Lulu mit einem anderen Instrument anfangen sollte. Dazu hatten mir Freunde mit älteren Kindern geraten, die aus Erfahrung wussten, dass es besser ist, wenn die zwei Töchter einer Familie unterschiedliche Interessen haben, um die Konkurrenz möglichst gering zu halten. Das schien mir umso plausibler, als Sophia auf dem Klavier wirklich einen Höhenflug erlebte – sie heimste Preise ein und wurde häufig von Lehrern, Kirchen, Gemeindeorganisationen zu Konzerten eingeladen. Wo immer wir hingingen, musste sich Lulu anhören, wie die Leute von ihrer Schwester schwärmten.
Natürlich stellte sich die Frage, welches das neue Instrument sein sollte. Meine Schwiegereltern, liberale intellektuelle Juden, hatten dazu dezidierte Ansichten. Sie kannten Lulus eigensinnigen Charakter und hatten mitbekommen, wie bei unseren Übungssitzungen geschrien und gebrüllt wurde, und sie drängten mich, ein Instrument auszusuchen, bei dem der Druck geringer wäre.
«Wie wär’s denn mit Blockflöte?», schlug mein Schwiegervater Sy vor, ein mächtiger, bärenstarker Mann, der aussieht wie Zeus. Er hatte eine gutgehende psychotherapeutische Praxis in Washington, D. C., und ist selbst sehr musikalisch, mit einer tiefen, tragenden Singstimme. Übrigens hat auch Jeds Schwester eine schöne Stimme, was darauf schließen lässt, von welcher Seite der Familie Sophia und Lulu ihre musikalischen Gene haben.
«Blockflöte?» , fragte meine Schwiegermutter Florence ungläubig, als sie von Sys Vorschlag hörte. «Wie langweilig.» Florence war Kunstkritikerin und lebte in New York City. Sie hatte eben eine Biographie von Clement Greenberg veröffentlicht, dem umstrittenen Kritiker moderner Kunst, der Jackson Pollock und den amerikanischen abstrakten Expressionismus entdeckt hat. Florence und Sy waren schon zwanzig Jahre geschieden, und sie widersprach grundsätzlich allem, was er sagte. «Wieso nicht was Aufregenderes, ein Gamelan zum Beispiel? Könnte sie nicht Gong lernen?»
Florence war elegant, abenteuerlustig und kosmopolitisch. Ein paar Jahre zuvor war sie in Indonesien gewesen, wo die Gamelan-Ensembles sie fasziniert hatten – kleine Orchester mit fünfzehn bis zwanzig Musikern, die auf dem Boden sitzen und allerlei Schlaginstrumente spielen: den Kempul etwa, eine hängende Anordnung von Gongs unterschiedlicher Tonhöhe, den Saron, ein Metallophon aus Bronzeplattenund hölzernem Resonanzkörper, und das Gongspiel Bonang, eine Reihe von Kesseln, die wie Trommeln gespielt werden, aber eher wie ein Glockenspiel klingen.
Interessanterweise reagierte der Komponist Claude Debussy auf das Gamelan-Orchester ähnlich wie meine Schwiegermutter: Beide empfanden dieses Klangensemble als Offenbarung. Debussy schrieb 1895 an einen Freund, die javanische Musik sei in der Lage, sämtliche Bedeutungsnuancen auszudrücken, selbst unaussprechliche. Später schrieb er in einem Artikel über die Javaner: «Es hat liebenswerte kleine Völker gegeben … die die Musik so leicht
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