Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
passte wunderbar ins Gepäckfach. Mit Sophia war es natürlich komplizierter. Wenn wir in den USA unterwegs waren, genügten meist ein paar Anrufe: Interessanterweise strotzen amerikanische Hotels von Klavieren. In der Regel gibt es einen Flügel in der Lobby-Bar, und wenigstens zwei weitere stehen in den verschiedenen Konferenz- und Empfangsräumen. Ich rufe einfach im voraus den Portier an und buche den Großen Ballsaal im Marriott von Chicago von sechs bis acht Uhr morgens oder den Wentworth Room im Langham Hotel von Pasadena von zweiundzwanzig Uhr bis Mitternacht. Gelegentlich kam es zu Pannen. Auf Maui stellte der Empfangschef des Grand Wailea Resort Hotel & Spa für Sophia ein elektronisches Keyboard in der Volcano Bar auf, aber für Chopins Polonaise in cis-Moll war das Keyboard zwei Oktaven zu kurz, außerdem fand im selben Raum gleichzeitig eine Einführung ins Schnorcheln statt, und das störte. Am Endeübte Sophia in einem Lagerraum im Keller, wo zu der Zeit der hoteleigene Stutzflügel aufpoliert wurde.
Im Ausland war es viel komplizierter, ein Klavier für Sophia aufzutreiben, und oft ging das nur mit viel Improvisation. Ausgerechnet London erwies sich als überraschend schwierig. Dort waren wir vier Tage, weil Jed für seinen Roman Morddeutung , einen historischen Krimi um Sigmund Freuds ersten und einzigen USA-Besuch im Jahr 1909, ein Preis verliehen wurde. Eine Zeitlang stand sein Buch auf Platz eins der englischen Bestsellerlisten, und man behandelte ihn wie einen Star. In musikalischer Hinsicht half mir das leider gar nicht. Als ich die Empfangsdame in unserem kleinen Luxushotel in Chelsea (bezahlt von Jeds Verleger) fragte, ob sich vielleicht ein Zeitraum finden ließe, in dem wir auf dem Flügel in der Bibliothek üben könnten, war sie so entsetzt, als hätte ich ihr vorgeschlagen, ihr Hotel in ein Lager für kambodschanische Flüchtlinge umzuwandeln.
«Die Bibliothek ? O du liebe Güte, nein. Bedaure sehr.»
Im Lauf des Tages berichtete eine Hotelangestellte anscheinend ihren Vorgesetzten, dass Lulu in unserem Zimmer Geige übte, denn sie wurde alsbald aufgefordert, das zu unterlassen. Zum Glück fand ich über das Internet eine Londoner Einrichtung, die gegen eine geringe Stundengebühr Übungsräume mit Klavier vermietete. So marschierten die Mädchen und ich jeden Tag, während Jed seine Interviews für Radio und Fernsehen gab, aus dem Hotel und fuhren mit dem Bus zu dem Laden, der, eingezwängt zwischen Falafel-Buden, an ein Bestattungsinstitut erinnerte. Nach anderthalb Stunden Üben kehrten wir mit dem Bus ins Hotel zurück.
So hielten wir es überall. Im belgischen Löwen übten wir in einem ehemaligen Kloster. In einer anderen Stadt, derenName mir entfallen ist, fanden wir ein spanisches Restaurant, das ein Klavier hatte und Sophia erlaubte, zwischen drei und fünf Uhr nachmittags zu üben, während das Personal den Boden wischte und die Tische für den Abend deckte. Hin und wieder wurde Jed ungehalten und warf mir vor, dass ich unsere Ferien verpatzte. «Besichtigen wir heute Nachmittag also das Kolosseum», fragte er sarkastisch, «oder müssen wir wieder in diesen Klavierladen?»
Auch Sophia war gelegentlich böse auf mich. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn ich den Leuten im Hotel sagte, sie sei «Konzertpianistin». «Sag doch so was nicht, Mama! Es stimmt überhaupt nicht, und es ist total peinlich.»
Ich war völlig anderer Meinung. «Du spielst Klavier, und du gibst Konzerte, Sophia. Damit bist du Konzertpianistin.»
Und schließlich, viel zu oft, gerieten Lulu und ich in nervtötende, rasch eskalierende Auseinandersetzungen, die uns so viel Zeit kosteten, dass wir darüber die Öffnungszeit eines Museums verpassten oder eine Tischreservierung fürs Abendessen wieder absagen mussten.
Aber es lohnte sich. Zurück in New Haven, verblüfften Sophia und Lulu ihre Musiklehrer immer wieder mit den Fortschritten, die sie in den Ferien gemacht hatten. Kurz nach unserer Reise nach Xi’an – auf der ich Sophia zwang, bei Tagesanbruch zwei Stunden zu üben, bevor ich erlaubte, dass wir die achttausend lebensgroßen Terrakottakrieger besichtigten, die Chinas erster Kaiser Qin Shi Huang für sein Mausoleum in Auftrag gegeben hat – gewann sie ihren zweiten Konzertwettbewerb, diesmal mit Mozarts Klavierkonzert Nr. 15 in B-Dur. Lulu wurde unterdessen von allen möglichen Trios und Quartetten angesprochen, die sie als erste Geige wollten, und wir sahen uns auf einmal von
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