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Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs

Titel: Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs Kostenlos Bücher Online Lesen
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erledigen.»
    «Lass es mich sehen, Sophia. Heraus damit.»
    Mit schreckgeweiteten Augen zog Sophia langsam ihre Karte hervor. Sie war größer als Lulus, bestand aus rotem Bastelpapier, und was darauf stand, war zwar überschwenglicher,aber genauso nichtssagend. Sie hatte ein paar Blumen gezeichnet und dazu geschrieben: «Ich hab dich lieb! Alles Gute zum Geburtstag der besten Mama auf der Welt! Nr. 1 Mama!»
    «Das ist nett, Sophia», sagte ich kalt, «aber auch nicht gut genug. Als ich so alt war wie du, habe ich meiner Mutter Gedichte zum Geburtstag geschrieben. Ich bin früh aufgestanden, habe das Haus geputzt und ihr Frühstück gemacht. Ich hab mich bemüht, mir was Phantasievolles einfallen zu lassen, und ihr Gutscheine gemacht, wie zum Beispiel für ‹Einmal Autowaschen›.»
    «Ich wollte ja was Schöneres machen, aber du hast gesagt, ich muss Klavier üben», protestierte Sophia pikiert.
    «Wärst du halt früher aufgestanden», entgegnete ich.
    Am späteren Abend erhielt ich zwei viel bessere Geburtstagskarten, die mir sehr gefielen und die ich noch heute habe.
    Diese Episode erzählte ich Florence kurze Zeit später. Sie lachte verblüfft, äußerte aber zu meiner Überraschung keine Missbilligung. «So was hätte ich vielleicht auch mal ausprobieren sollen», sagte sie nachdenklich. «Ich hatte nur immer das Gefühl, dass etwas, worum man eigens bitten muss, nichts wert ist.»
    «Ich finde es idealistisch, von Kindern zu erwarten, dass sie von allein draufkommen, was richtig ist», sagte ich. «Und wenn du sie zwingst zu tun, was du willst, musst du nicht böse auf sie sein.»
    «Aber sie sind böse auf dich», wandte Florence ein.
    An dieses kurze Gespräch musste ich denken, als Florence Jahre später beerdigt wurde. Nach dem jüdischen Gesetz müssen Begräbnisse möglichst bald nach dem Tod stattfinden, idealerweise innerhalb von 24 Stunden. Bei Florence hatte niemand mit einem derart plötzlichen Tod gerechnet,und nun musste Jed an einem einzigen Tag eine Grabstelle pachten, einen Rabbiner finden, ein Bestattungsunternehmen beauftragen und den Gottesdienst bestellen. Wie immer erledigte er alles rasch und effizient und behielt seine Gefühle für sich; dabei aber zitterte er am ganzen Leib, und daran sah ich, wie überwältigt er von der Trauer war.
    An diesem Morgen fand ich die Mädchen aneinandergekuschelt in ihrem Schlafzimmer, beide geschockt und erschüttert. Noch nie hatten sie den Tod eines so nahestehenden Menschen erlebt. Noch nie waren sie auf einer Beerdigung gewesen. Und noch eine Woche zuvor hatte Popo im Zimmer nebenan mit ihnen gelacht.
    Ich sagte, sie müssten jetzt beide eine kurze Rede über Popo schreiben, die sie nachmittags während des Gottesdienstes vorlesen würden.
    «Nein, bitte nicht, Mama, bitte zwing mich nicht», sagte Sophia unter Tränen. «Ich kann das wirklich nicht.»
    «Ich auch nicht», schluchzte Lulu. «Geh weg.»
    «Ihr müsst », befahl ich. «Beide.»
    Sophias erster Entwurf war entsetzlich, weitschweifig und oberflächlich. Lulus Text war auch nicht besonders, aber von meiner Älteren erwartete ich mir mehr. Vielleicht weil ich selbst so aufgewühlt war, verlor ich die Geduld und fiel über sie her. «Wie kannst du nur, Sophia?», schnauzte ich sie an. «Das ist abscheulich. Total unpersönlich. Total oberflächlich. Wie die Texte dieser vorgefertigten Kitschkarten – die Popo gehasst hat. Du denkst nur an dich. Popo hat dich so geliebt – und du – du schreibst – so was! »
    Hemmungslos weinend schrie Sophia mich an, was wiederum mich aus der Fassung brachte, denn wie bei Jed – und anders als bei Lulu und mir – schwelt Sophias Wut meist leise vor sich hin und explodiert selten. «Was weißt du denn, wasPopo gewollt hätte! Du hast sie doch nicht mal gemocht! Du mit deinen ewigen chinesischen Werten und deinem ewigen Respekt vor dem Alter – in Wirklichkeit hast du dich immer über sie lustig gemacht. Egal, was sie getan hat – sogar wenn sie Kuskusgemacht hat! –, für dich war alles immer nur ein Zeichen von schrecklicher moralischer Minderwertigkeit. Wie kannst du so … so manichäistisch sein? Wieso muss für dich immer alles entweder Schwarz oder Weiß sein?»
    Ich habe mich nicht über sie lustig gemacht, dachte ich entrüstet. Ich habe lediglich meine Töchter vor einem romantisierenden, zum Scheitern verurteilten Erziehungsmodell bewahrt. Außerdem war ich diejenige, die Florence immer zu allem eingeladen und dafür gesorgt hat,

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