Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
sprachlos. Dass ich Talente brachliegen ließ, hatte mir noch keiner vorgeworfen. Aber wie es der Zufall wollte, hatte ich kurz zuvor mit einer Freundin telefoniert, die mir dieselbe Frage im Zusammenhang mit Lulu gestellt hatte.
An diesem Abend schickte ich zwei folgenreiche Mails ab. Das erste an eine Geigerin namens Kiwon Nahm, die kurz zuvor ihren Abschluss an der Yale School of Music gemacht hatte und die ich von Zeit zu Zeit engagierte, damit sie mit Lulu übte. Das zweite an Professor Wei-Yi Yang, den jüngsten Neuzugang des illustren Lehrkörpers der Musikhochschule im Fachbereich Klavier und in jeder Hinsicht ein pianistisches Genie.
Es ging alles schneller, als ich gehofft hatte. Ein unfasslicher Glückstreffer war, dass Professor Yang bereits von Sophia wusste; er hatte sie auf einer Benefizveranstaltung ein Klavierquartett von Mozart spielen hören und war beeindruckt gewesen. Wir verabredeten uns für Ende August, sobald er von seiner Sommertournee zurück war, zu einem Mittagessen.
Genauso aufregend entwickelte es sich für Lulu. Kiwon – die selbst mit zwölf Jahren als Solistin im Lincoln Center debütiert hatte – war so freundlich, Lulu bei ihrer ehemaligen Lehrerin Almita Vamos ins Gespräch zu bringen. Mrs. Vamos und ihr Ehemann Roland zählen zu den führenden Geigenlehrern der Welt. Sechsmal wurden sie vom Weißen Haus ausgezeichnet. Unter ihren einstigen Schülern sind bekannte Solisten wie Rachel Barton und zahlreiche Gewinner renommierter internationaler Wettbewerbe. Das Ehepaar Vamos lebt in Chicago und unterrichtet nur sehr begabte Schüler, unter denen verhältnismäßig viele Asiaten sind.
Wie auf glühenden Kohlen sitzend warteten wir, ob Mrs. Vamos antworten würde. Eine Woche später kam das Mail: Mrs. Vamos lud Lulu zum Vorspielen ein und bestellte sie dazu ins Chautauqua-Institut, im Norden des Staats New York, wo sie in diesem Sommer unterrichtete – und zwar am 29. Juli. In nur drei Wochen!
Die nächsten zwanzig Tage tat Lulu nichts anderes, als Geige zu üben. Um so viel Fortschritt wie möglich aus ihr herauszuquetschen, engagierte ich Kiwon für zwei, manchmal für drei Unterrichtsstunden täglich. Jed traute seinen Augen nicht, als er unsere Kontoauszüge sah. Zum Ausgleich, versprach ich, würden wir den ganzen Sommer kein einziges Mal im Restaurant essen und keine neue Garderobekaufen. «Außerdem», fügte ich hoffnungsvoll hinzu, «haben wir doch den Vorschuss für deinen Roman.»
«Dann fange ich lieber gleich mit einer Fortsetzung an», antwortete Jed grimmig.
«Kann man sein Geld besser investieren als in die eigenen Kinder?», fragte ich.
Jed stand eine weitere unangenehme Überraschung bevor. Ich hatte die Fahrt zu Mrs. Vamos auf drei, vielleicht vier Stunden geschätzt, und das hatte ich Jed auch so gesagt. Am Tag vor unserem Aufbruch setzte sich Jed an den Rechner, suchte sich einen Routenplaner und fragte: «Also, wo genau müssen wir jetzt hin?»
Leider war mir nicht bewusst gewesen, wie groß der Staat New York wirklich ist. Chautauqua, zeigte sich, liegt nahe dem Eriesee, nicht weit von Kanada.
«Amy, das sind neun Stunden, nicht drei», rief Jed außer sich. «Wie lang bleiben wir?»
«Nur eine Nacht. Ich habe Sophia zu einem Computeranimationskurs angemeldet, damit sie was Interessantes zu tun hat, während sie an Krücken gehen muss, und der fängt am Montag an. Aber ich bin sicher, dass wir die Fahrt in sieben …»
«Und was machen wir mit Coco?», unterbrach mich Jed. Coco war erst seit zwei Monaten stubenrein und noch nie mit uns verreist.
«Ich dachte, es wäre doch nett, sie einfach mitzunehmen. Das wird unser erster gemeinsamer Urlaub», sagte ich.
«Achtzehn Stunden Autofahrt innerhalb von zwei Tagen sind wohl kaum ein Urlaub», wandte Jed ein, was ich ein bisschen selbstsüchtig fand. «Und was ist mit Sophias gebrochenem Fuß? Soll sie nicht das Bein hochlegen, so oft es geht? Wie sollen wir denn alle ins Auto passen?»
Wir hatten einen Jeep Cherokee. Sophia könne auf dem Rücksitz liegen, sagte ich, den Kopf auf Lulus Schoss und das Bein auf Kissen gelagert, und Coco hinten bei unserem Gepäck und den Geigen (ja, Plural, aber davon später) sitzen. «Da ist noch was», fügte ich hinzu. «Ich habe Kiwon gebeten, dass sie mitkommt, und ihr versprochen, dass sie pro Stunde bezahlt wird, die Fahrtzeit eingeschlossen.»
« Wie bitte? », stöhnte Jed ungläubig. «Das kostet uns dreitausend Dollar! Und wo sollen wir jetzt
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