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Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs

Titel: Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs Kostenlos Bücher Online Lesen
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und Geige verursachten Schwielen an den Fingerspitzen meiner Töchter oder die Bissspuren im Klavierholz sehe, beschleicht mich manchmal ein Zweifel.
    Aber eins ist klar. Wenn ich mir all die westlichen Familienansehe, die auseinanderbrechen, all die erwachsenen Söhne und Töchter, die keine physische Nähe zu den Eltern mehr ertragen, ja nicht mal mehr mit ihnen sprechen, dann kann ich nicht glauben, dass die westliche Erziehung glücksfördernder ist. Es ist erstaunlich, wie viele westliche Eltern ich getroffen habe, die mit traurigem Kopfschütteln zu mir sagten: «Als Eltern steht man doch auf verlorenem Posten. Egal, was man macht – wenn sie erwachsen sind, nehmen sie’s einem übel.»
    Hingegen könnte ich nicht sagen, wie viele asiatische Jugendliche ich kennengelernt habe, die zwar einräumten, dass ihre Eltern erdrückend streng und brutal fordernd waren, sich selbst aber ohne Zögern als treu ergebene und ungeheuer dankbare Kinder bezeichnen, und das offensichtlich ohne eine Spur von Bitterkeit oder Groll.
    Ich könnte nicht sagen, weshalb das so ist. Vielleicht ist es das Resultat von Gehirnwäsche. Oder es ist das Stockholm-Syndrom. Eines aber weiß ich sicher: Westliche Kinder sind eindeutig nicht glücklicher als chinesische.

16     Die Geburtstagskarte
     
    Von Sophias und Lulus Worten auf der Beerdigung ihrer Großmutter waren alle bewegt. «Hätte Florence sie nur hören können», sagte Florences beste Freundin Sylvia nachher traurig. «Nichts hätte sie glücklicher gemacht.» – «Wie können eine Dreizehn- und eine Zehnjährige», fragten mich andere Freunde ergriffen, «Florence so treffsicher erfassen?»
    Da gibt es eine Vorgeschichte.
    Sie beginnt mehrere Jahre zuvor, als die Mädchen noch recht klein waren, vielleicht sieben und vier. Ich hatte Geburtstag, und wir feierten in einem italienischen Restaurant, das mittelmäßig war, weil Jed vergessen hatte, in einem besseren Lokal einen Tisch zu reservieren.
    Offensichtlich von schlechtem Gewissen geplagt, war er jetzt bemüht, gute Laune zu verbreiten. «Okay-ay! Das wird ein tol-les Geburtstagsessen für Mama! Stimmt’s, Mädchen? Und ihr habt beide eine kleine Überraschung für sie – stimmt’s, Mädchen?»
    Ich tunkte eine fade Focaccia in das Schälchen Olivenöl, das uns der Kellner hingestellt hatte. Auf Jeds Drängen hin überreichte mir Lulu ihre «Überraschung», die sich als Geburtstagskarte erwies. Genauer gesagt, als ein Stück Papier, das einmal schief gefaltet war; auf der Vorderseite prangte ein großes grinsendes Gesicht, und innen stand: «Alles Gute zum Geburtstag, Mama! Deine Lulu», mit Bleistift über ein zweites grinsendes Gesicht gekritzelt. Lulu konnte dafür nicht länger als zwanzig Sekunden gebraucht haben.
    Ich weiß genau, was Jed an meiner Stelle getan hätte. Er hätte gesagt: «Oh, wie hübsch – danke, mein Schatz!», und hätte Lulu einen verkrampften Kuss auf die Stirn gedrückt.Dann hätte er vermutlich gesagt, dass er keinen großen Hunger habe und nur einen Teller Suppe wolle, oder lieber gleich nur Wasser und Brot, aber wir anderen könnten natürlich herzlich gern bestellen, was wir wollten.
    Ich gab Lulu die Karte zurück. «Ich will das nicht», sagte ich. «Ich möchte eine schönere – eine, für die du dir wenigstens ein bisschen Mühe gegeben hast. Ich habe eine eigene Schachtel, in der ich alle Karten aufbewahre, die ich von euch beiden habe, und diese hier kommt da ganz bestimmt nicht rein.»
    «Was?», fragte Lulu ungläubig. Auf Jeds Stirn bildeten sich Schweißtröpfchen.
    Ich holte mir die Karte zurück, drehte sie um, zog einen Stift aus meiner Handtasche und schmierte quer über die Rückseite: «Glückwunsch zum Geburtstag, Lulu, juchhe!» Und dahinter zeichnete ich ein griesgrämiges Gesicht. «Was würdest du sagen, wenn du so was zum Geburtstag bekämst – fändest du das nett? Ich würde so was nie tun, Lulu. Nein – von mir kriegst du Zauberer und Riesenrutschbahnen, die mich Hunderte Dollars kosten. Von mir kriegst du riesige Eistorten in Pinguinform, und ich gebe ein halbes Monatsgehalt für dämliche Aufkleber und Radiergummis als Partygeschenke aus, die nachher sowieso jeder wegwirft. Ich strenge mich irrsinnig an, um dir einen schönen Geburtstag zu machen! Ich hab was Besseres verdient als das. Deswegen lehne ich das hier ab.» Ich warf ihr die Karte zurück.
    «Darf ich bitte eine Sekunde aufstehen?», fragte Sophia kleinlaut. «Ich muss was

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