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Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs

Titel: Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs Kostenlos Bücher Online Lesen
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trocken zu antworten.
    Unterdessen hatten Lulu und ich eine wunderbare Zeit miteinander. Sobald UPS wieder eine Kiste lieferte, stürzten wir uns sofort darauf. Die verschiedenen Geigen auszuprobieren, das Holz und die Klangfarbe zu vergleichen, von der jeweiligen Provenienz zu lesen und ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten nachzuspüren, machte uns riesige Freude. Wir probierten ein paar neue Geigen aus, vor allem aber ältere, in den dreißiger Jahren oder noch früher gebaut, Geigen aus England, Frankreich und Deutschland und besonders aus Italien, meist Cremona, Genua und Neapel. Lulu und ich führten Blindversuche mit der ganzen Familie durch, weil wir wissen wollten, ob wir die Geigen am Klang unterscheiden konnten und ob unsere Vorlieben sich änderten, wenn wir nur hörten und nicht sahen.
    Tatsache ist, dass Lulu und ich gleichzeitig unvereinbarund einander wirklich nahe sind. Wir können den größten Spaß miteinander haben und uns gegenseitig zutiefst verletzen. Wir wissen immer, was die andere denkt – was eine wirksame Psychofolter sein kann –, und wir können es nicht ändern. Wir gehen beide leicht in die Luft und fühlen uns nachher besser. Jed hat nie begriffen, wie Lulu und ich es fertigbringen, uns im einen Moment gegenseitig Morddrohungen an den Kopf zu werfen und im nächsten Moment im Bett zusammen zu kuscheln und über Geigen zu reden oder miteinander zu lesen und zu lachen.
    Jedenfalls brachten wir zu Mrs. Vamos’ Studio in der Chautauqua Institution nicht eine, sondern drei Geigen mit, weil wir uns noch immer nicht endgültig hatten entscheiden können.
    «Wunderbar!», sagte Mrs. Vamos. «Sehr nett. Ich liebe es, Geigen auszuprobieren.» Mrs. Vamos erwies sich als bodenständige und scharfsinnige, geistreiche Person mit skurrilem Humor. Sie war selbstherrlich («Ich hasse Viottis Dreiundzwanzigstes. Langweilig!») und strahlte Macht und Imposanz aus. Außerdem kam sie mit Kindern blendend zurecht – jedenfalls mit Lulu, zu der sie sofort einen Draht fand. Auch Jed und sie verstanden sich auf Anhieb. Die Einzige, der Mrs. Vamos offenbar wenig Sympathie entgegenbrachte, war ich. Mein Eindruck war, dass sie Hunderte, wahrscheinlich Tausende skrupellose asiatische Mütter kennengelernt hatte und dass sie mich unästhetisch fand.
    Lulu spielte den ersten Satz aus Mozarts Violinkonzert Nr. 3 vor. Mrs. Vamos sagte danach zu ihr, sie sei außerordentlich musikalisch, und wollte wissen, ob sie gern Geige spiele. Ich hielt den Atem an; ich wusste ehrlich nicht, wie die Antwort lauten würde. Lulu sagte ja. Dann erklärte ihr Mrs. Vamos, sie habe den Vorteil, von Natur aus musikalischzu sein – was man niemandem beibringen könne –, sei aber technisch nicht auf der Höhe. Sie wollte wissen, ob Lulu denn Tonleitern übe – «na ja …» – und Etüden – «was ist das?»
    Das müsse sich alles ändern, wenn sie wirklich eine gute Geigerin werden wolle, erklärte Mrs. Vamos. Lulu müsse massenhaft Tonleitern und Etüden spielen, um eine tadellose Technik, ein Muskelgedächtnis und eine absolut reine Intonation zu entwickeln. Sie komme auch viel zu langsam vorwärts, es sei nicht gut, sich sechs Monate mit einem einzigen Satz zu beschäftigen. «In deinem Alter können meine Schüler ein ganzes Konzert in rund zwei Wochen lernen – dazu solltest du ebenfalls in der Lage sein.»
    Nun arbeitete Mrs. Vamos mit ihr Zeile für Zeile den Mozart durch und verwandelte vor meinen Augen Lulus Spiel. Sie war wirklich eine außergewöhnliche Lehrerin: fordernd, aber lustig, kritisch, aber anregend. Als eine Stunde um war – unterdessen waren fünf oder sechs Schüler hereingekommen und saßen mit ihren Instrumenten auf dem Boden – gab sie Lulu ein paar Hausaufgaben auf und sagte, sie würde sie gern am nächsten Tag wiedersehen.
    Ich traute meinen Ohren nicht. Mrs. Vamos wollte Lulu wiedersehen! Ich wäre beinahe vom Stuhl aufgesprungen – beinahe : hätte ich nicht in dem Moment gesehen, wie draußen vor dem Fenster, gefolgt von Aaron an der Leine, Coco vorbeiflog.
    «Was war das?», fragte Mrs. Vamos.
    «Unser Hund Coco», antwortete Lulu.
    «Ich mag Hunde. Und eurer sieht ja wirklich süß aus», sagte eine der berühmtesten Geigenlehrerinnen der Welt. «Morgen hören wir uns auch an, wie diese Geigen klingen», fügte sie hinzu. «Die italienische gefällt mir, aber vielleicht wird sich auch die französische noch öffnen.»
    Zurück im Hotel, fieberte ich vor

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