Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
und wir so weit wie möglich aufgeräumt hatten, lag ich im Bett und fragte mich, ob Lulu wohl käme, um sich zu mir zu kuscheln wie damals nach dem «kleinen weißen Esel». Wie lang war das her! Aber sie kam nicht. Stattdessen ging ich zu ihr hinüber.
«Bist du nicht froh, dass ich dich gezwungen habe, die ‹Hebräische Melodie› zu spielen?», fragte ich.
Lulu wirkte aufgekratzt, war mir aber nicht besonders freundlich gesinnt. «Ja, Mama», sagte sie. «Du kannst den Ruhm einheimsen.»
«Na gut, mach ich», sagte ich leichthin. Dann sagte ich, wie stolz ich auf sie sei und wie hervorragend sie gespielt habe. Lulu lächelte gnädig. Aber sie schien in Gedanken anderswo, als könnte sie es nicht erwarten, dass ich endlich ging, und es war etwas in ihrem Blick, das mir sagte, dass meine Tage gezählt waren.
31 Der Rote Platz
Zwei Tage nach Lulus Bat Mizwa flogen wir nach Russland. Es war ein Urlaub, von dem ich ewig geträumt hatte. Als junges Mädchen hatte ich meine Eltern von St. Petersburg schwärmen hören, und Jed und ich wollten jetzt mit den Mädchen irgendwohin fahren, wo wir selbst noch nie gewesen waren.
Und wir brauchten einen Urlaub. Katrin hatte die Phase akuter Lebensgefahr durch Abstoßung hinter sich. Im Grunde hatten wir zehn Monate lang keinen einzigen Tag Pause gehabt. Die erste Station unserer Reise war Moskau. Jed hatte ein bequemes Hotel direkt in der historischen Altstadt für uns organisiert, und nach einer kurzen Pause brachen wir auf, um einen ersten Eindruck von Russland zu gewinnen.
Ich war um die lustig-lockere Stimmung bemüht, die meine Töchter an mir am liebsten haben, und verzichtete weitgehend auf meine übliche Kritik an der Kleidung, die sie trugen, oder an der Häufigkeit des Füllsels «ähm» in ihren Sätzen. Aber irgendwie stand dieser Tag unter einem schlechten Stern. Über eine Stunde standen wir in zwei verschiedenen Schlangen, um in einer Einrichtung, die sich Bank nannte, Geld zu wechseln, und danach hatte das Museum, das wir besichtigen wollten, geschlossen.
Wir entschieden uns stattdessen für den Roten Platz, der in Gehdistanz von unserem Hotel war. Allein seine Größe erschlug mich fast: Zwischen dem Tor, durch das wir ihn betraten, und der Basilius-Kathedrale mit ihren bunten Zwiebelkuppeln schienen drei Fußballfelder zu liegen. Kein Vergleich mit den charmanten, malerischen Plätzen in Italien,dachte ich, dieser Platz ist eigens angelegt, um einzuschüchtern, und ich stellte mir feuernde Kommandos und Bataillone von Revolutionsgarden vor.
Lulu und Sophia stichelten ununterbrochen gegeneinander, was mich ärgerte. Was mich aber in Wahrheit irritierte, war die Erkenntnis, dass sie eigentlich ausgewachsen waren – Teenager meiner Größe (Sophia sogar knapp acht Zentimeter größer) und keine süßen kleinen Mädchen mehr. «Es geht so schnell», hatten ältere Freundinnen immer wehmütig gesagt. «Eh du dich versiehst, sind deine Kinder erwachsen und aus dem Haus, und du bist alt, obwohl du dich nicht anders fühlst als in deiner Jugend.» Ich hatte sie nicht ernst genommen; auf mich wirkten sie wirklich alt. Vielleicht hatte ich mir auch eingebildet, ich könnte Zeit gewinnen, wenn ich aus jedem Augenblick des Tages das Maximum herauspresste. Wer weniger schläft, erlebt mehr: Rein mathematisch lässt sich daran nicht rütteln.
«Hinter der langen weißen Mauer dort ist Lenins Grab», sagte Jed. «Habt ihr gewusst, dass er einbalsamiert ist? Morgen können wir seinen konservierten Leichnam besichtigen.» Es folgte eine Kurzvorlesung über russische Geschichte und den Kalten Krieg.
Nachdem wir eine Weile umhergeschlendert waren – wir begegneten überraschend wenig Amerikanern und weitaus mehr Chinesen, die an uns völlig desinteressiert schienen –, setzten wir uns in ein Straßencafé, das zum berühmten Warenhaus GUM gehörte, einem palastähnlichen Gebäude mit Säulengängen, das fast die gesamte Ostseite des Roten Platzes einnimmt, direkt gegenüber den Festungsmauern des Kreml.
Wir bestellten Blinis und Kaviar, eine, wie Jed und ich fanden, nette Art, unseren ersten Abend in Moskau zu begehen.Aber als der Kaviar kam – dreißig Dollar für ein winziges Gefäß –, sagte Lulu: «Iiih, eklig», und weigerte sich zu kosten.
«Sophia, nimm nicht so viel – lass den anderen auch noch was übrig», keifte ich und wandte mich dann an meine jüngere Tochter. «Lulu, du hörst dich an wie ein barbarischer Banause. Koste den
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