Die Mutter
- sie verstand ihn wirklich.
Martha hingegen nicht. Sie sah George finster an, und ihre runden blauen Augen befahlen ihm, sich zu entschuldigen.
George seufzte. Er hatte weder die Energie noch die Willenskraft, sich mit ihr zu streiten. »Es tut mir leid, Krista. Wenn Sie mit reinkommen möchten, können Sie das natürlich tun. Es ist Ihre Entscheidung.« Er drehte sich um und betrat das Haus.
Hinter sich hörte er Marthas schwere Tritte, dann Kristas leichtere Schritte.
Er hörte, wie jemand den Lichtschalter neben der Tür umlegte, aber, wenig überraschend, blieb das Haus finster.
»Kein Strom«, sagte Martha.
Es lag ihm auf der Zungenspitze, zu erwidern: »Was hast du denn erwartet?«, aber er schwieg. Martha war ohnehin nicht gut auf ihn zu sprechen, nicht nachdem, was er eben zu Krista gesagt hatte.
George ging ein paar Schritte den Flur hinunter, blieb dann stehen und betrat den großen Raum zu seiner Linken, der früher das Wohnzimmer gewesen war.
George war schockiert darüber, wie leer er war. Der staubbedeckte Boden war vollkommen karg - hier standen kein alter kaputter Tisch und kein überflüssiges Sofa, ja, hier lag noch nicht einmal eine vergessene Limonadendose oder das Papier eines Schokoriegels. Selbst der Kamin war leer. Da waren keine verkohlten Holzscheite und keine Asche - nur eine schwarze Ausbuchtung, die einst das Herzstück vieler kalter Winterabende gewesen war.
Sein Kopf füllte sich mit Bildern. Er konnte sich selbst als Kind sehen, wie er auf einem Teppich vor dem Kamin saß, Radio hörte oder irgendeinen billigen Abenteuerroman oder ein Comic las. Die Erinnerungen brachten ein tiefes Gefühl des Verlustes mit sich.
Martha nieste und riss George aus seinen Gedanken.
»Entschuldigung«, sagte sie.
George drehte sich um und lächelte. »Schon okay. Möchtest du lieber draußen warten? Es wird nicht lange dauern.«
Martha schüttelte den Kopf. »Mir geht's gut«, sagte sie mit verschnupfter Nase. »Ich möchte das hier mit dir teilen.«
George blickte zu Krista hinüber; ihr Gesicht leuchtete ihm schwachen Licht.
Sieht ganz so aus, als ob noch jemand das hier mit mir teilen möchte.
Er wusste, dass er Krista gegenüber nicht so feindselig sein sollte. Seine Krankheit, der Zustand von Hill Creek, die Kopfschmerzen, die Übelkeit - nichts von alldem war Kristas Schuld, und er sollte seine Wut nicht an einer Frau auslassen, die er eben erst getroffen hatte. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er immer noch das Gefühl hatte, sie dringe hier in
private Angelegenheiten ein - und dass er sich in ihrer Nähe unwohl fühlte.
Er schob die Gedanken an Krista beiseite und ging zur Küche.
Der Anblick des Raumes vergrößerte seinen Kummer nur noch. Spinnweben hingen in jeder Ecke. Einige wirkten ebenso alt und verstaubt wie das Linoleum, das noch immer den Boden bedeckte. Aber anstatt des Duftes von frisch gebackenem Brot oder eines Eintopfs, der auf dem Herd köchelte, lag der Geruch von Schimmel und altem Fett in der Luft.
Während er in die bescheidene Küche trat, stellte George sich seine Mutter vor, die am Herd stand und in einem Topf Suppe oder Eintopf rührte. Als er an die Kindheit zurückdachte oder an die Zeit, als er noch ein Teenager gewesen war - jene Zeit, bevor er sie verließ und zur Polizei nach Goulburn ging - schien es ihm, als habe seine Mutter ihr ganzes Leben in dieser Küche verbracht, die Schürze eng um ihre Taille geschlungen, das Haar zu einem Dutt zusammengebunden, das Gesicht leicht gerötet von der Hitze. Er dachte immer an die Küche, wenn er an seine Mum dachte.
Martha trat neben ihn. »Ich frage mich, ob sie irgendwas zu essen im Schrank gelassen haben«, flüsterte sie.
»Wenn du so hungrig bist: Im Wohnmobil gibt's genug zu essen«, erwiderte George, dessen Magen schon bei der puren Erwähnung von Essen Flickflacks vollführte.
»Das war doch nicht ernst gemeint. George, bist du sicher, dass es dir gut geht?«
»Alles okay. Ich schau mir nur noch schnell mein altes Zimmer an, dann können wir gehen.« Er ging nach rechts, den dunklen Flur hinunter.
»Schatz, wir müssen doch nicht so schnell wieder fahren«, sagte Martha und folgte ihm. »Ich kann auch noch bis Tarcutta warten und dort etwas essen. Willst du dich nicht noch ein bisschen in der Küche umschauen?«
»Wieso?«, fragte George. »Es ist doch nur eine alte Küche; da gibt's nichts zu sehen.« Auch wenn nicht der kleinste Lichtstrahl diesen Teil des Hauses erhellte,
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