Die Mutter
warnte er sich selbst. Er wollte sich nicht zu sehr vollaufen lassen; ein schlecht platzierter Schuss wäre eine Katastrophe. Er wäre lieber tot als ein sabbernder Pflegefall, der im Suff seinen Selbstmord versaut hatte.
Er gönnte sich einen letzten Schluck Tequila, bevor er die Flasche neben der Magnum auf dem Nachttisch abstellte.
Dann schloss er die Augen und wartete darauf, dass der Alkohol seine Nerven beruhigte und die Frau im Nebenzimmer aufhörte zu flennen.
Als er den Schrei hörte, glaubte Heath für einen Moment, er sei aus seinem eigenen Mund gekommen, aber als er erneut ertönte, wurde ihm klar, dass die Frau im Nebenzimmer den schrillen Schrei ausgestoßen hatte.
Er musste eingenickt sein, denn er erinnerte sich daran, dass er davon geträumt hatte, Glenda umzubringen, bevor der Schrei ihn aufgeschreckt hatte. Er sprang aus dem Bett, sein Körper
wund und steif von den Schlägen, und ging ins Badezimmer. Er pinkelte, wusch sich die Hände, spritzte sich Wasser in sein brennendes Gesicht und trank so viel davon, dass ihm fast der Magen platzte.
Er trat aus dem Badezimmer und fiel sofort wieder aufs Bett. Die Wirkung des Alkohols war verflogen, er war wieder ganz zittrig. Er blickte zu der Wanduhr hinauf und sah, dass es drei Uhr sechzehn morgens war. Er hatte weniger als sieben Stunden, bevor er für eine weitere Nacht bezahlen musste oder in hohem Bogen rausgeworfen wurde, sodass er in seinem Wagen würde schlafen müssen.
Mit größter Mühe ergriff Heath die halbleere Tequilaflasche und nahm einen Mundvoll. Der Alkohol wirkte Wunder, beruhigte sofort seine Nerven und dämpfte den Schmerz in seinem Kiefer. Hinter ihm, auf der anderen Seite der Wand, schluchzte die Frau noch immer. Heath fragte sich, was der Grund für ihre Qualen war - was mochte jemanden wohl dazu bringen, so höllisch zu schreien, als würden ihm die Fingernägel ausgerissen?
Vielleicht hatte ihr Mann sie rausgeschmissen. Vielleicht saß sie im selben Boot wie Heath: kein Geld, keinen Job, kein Leben.
Es war seltsam tröstlich, daran zu denken, dass sich jemand ebenso elend fühlte wie er. Es nahm ihm ein wenig von seinem eigenen Schmerz. Er wusste, dass es falsch war, sich am Leid eines anderen Menschen zu laben, aber er konnte nichts an seinen Gefühlen ändern.
Das Weinen der Frau schien nicht schwächer zu werden; jedes tiefe, nasse Schluchzen war ebenso innig wie das vorige. Wenig später hörte er, dass das Heulen von Worten unterbrochen wurde, aber er konnte nicht verstehen, was sie sagte. Die schmutzigen weißen Wände lagen zwar nur eine Stufe über schlichtem Papier, aber so dünn waren sie auch wieder nicht.
Er dachte darüber nach, hinüberzugehen und sie zu fragen, ob er ihr Gesellschaft leisten sollte. Vielleicht konnte sie ja auch einen Schluck gebrauchen - vielleicht sogar die Waffe.
Wenn ihr Leben, ebenso wie seines, vorbei war, wenn sie keinen Funken Licht am Ende des sprichwörtlichen Tunnels mehr sah, würde sie sich vielleicht über die Möglichkeit eines
Kopfschusses freuen. Er wusste jedenfalls, dass er, so, wie er sich momentan fühlte, dankbar dafür wäre, wenn jemand an seine Tür klopfen würde und Alkohol und eine Lösung dabei hätte. Drauf geschissen, wieso nicht?
Er ließ noch mehr Tequila seine Kehle hinunterströmen, sprang aus dem Bett und schnappte sich die Pistole. Er steckte den Revolver vorne in den Hosenbund, bedeckte die Beule mit seinem Hemd und trat an die Tür.
Draußen wurde er von einer kühlen Brise begrüßt. Heath nahm sich einen Augenblick Zeit, um die knackige Luft des frühen Morgens einzuatmen.
Die Welt schien totenstill. Abgesehen vom gedämpften Weinen der Frau war alles ruhig. Er konnte noch nicht einmal Autos auf der nahen Straße vorbeifahren hören.
Er war an einen gewissen Lärmpegel gewöhnt - Leute, die sich unterhielten, klingelnde Telefone, piepsende Faxgeräte. Selbst wenn er noch spät abends im Büro arbeitete, hatte er immer das Radio angemacht, Musik aufgelegt oder den Fernseher laufen lassen. Er mochte Lärm; er half ihm beim Denken. Die fehlenden Geräusche vergrößerten Heaths Nervosität nur.
Er ging die paar Schritte zur Nachbartür, wechselte die Tequilaflasche in die linke Hand und wollte gerade an die Tür von Zimmer 15 klopfen, als er hörte: Gott, wenn du da oben bist, tue das Richtige und bestrafe ihn. Er verdient es nicht, zu leben. Er hat gesündigt, und dafür muss er bezahlen ... Den Worten folgte eine weitere Runde qualvoller
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