Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
Vom Netzwerk:
konnte die Menschen immer noch aus den Schatten regieren, wie er es jetzt tat – indem er in dem Turm stand, der nach seiner geliebten verstorbenen Gemahlin benannt war, und zusah, wie Caspar und Melchyor in ihren Kapuzen auf die Tribüne geführt wurden und sich bei jedem Schritt dorthin mit allen Kräften zur Wehr setzten. Sie versuchten sich zu befreien, als gäbe es ein Entkommen. Als könnten sie mit den Kapuzen über den Köpfen Dutzenden Wachen und Tausenden Zuschauern davonlaufen.
    Erstaunlich , dachte Herodes, was ein Mann alles tut, um sich zu retten.
    Der kleinere der beiden Gefangenen wurde zu dem Block geschleift und davor in die Knie gezwungen. Aus dem Stein ragten Metallringe hervor, durch die man ein Seil gezogen hatte. Sobald Melchyors von der Kapuze verdecktes Gesicht auf den Stein knallte, wurde das Seil über seine Schultern gelegt. Wachen zu beiden Seiten des Blockes ergriffen nun die Enden des Seiles und zogen es straff, sodass der Körper des Gefangenen trotz aller Gegenwehr unten gehalten wurde.
    »Und jetzt«, sagte Antipas, »stirbt der Grieche, der unter dem Namen ›Melchyor‹ bekannt ist!«
    Die Menschenmenge wurde mucksmäuschenstill. Man wollte das vertraute Knacken eines brechenden Genicks und den Aufschlag von Metall auf Stein hören. Der Henker hob die Axt und hielt sie etliche Sekunden in die Höhe, um den Moment voll auszukosten. Dann fuhr sie herab. Das Knacken zerborstener Wirbel war deutlich über den Platz hinweg zu hören, doch nicht das Klirren der Klinge gegen den Block.
    Sie war nicht ganz durchgegangen.
    Während Melchyors Leib ins Zucken geriet und dunkles Blut seitlich an dem Steinblock herunterfloss, wurde die Axt rasch noch einmal hochgehoben und der letzte Streich geführt. Sobald es so weit war, zog Antipas Melchyor die Kapuze herunter und hob dessen Kopf in die Höhe, damit die Menge ihn sehen konnte – wobei Blut an seinem Unterarm hinunter auf die hölzernen Planken floss.
    Herodes hatte diesen kleinen Griechen noch nie zuvor gesehen. Es war bloß ein gemeiner Verbrecher, und als solchen hatte man ihn sofort in den Kerker geworfen. Keine Audienz beim König. Lediglich das Todesurteil und eine Zelle. Dennoch kam er ihm irgendwie bekannt vor, auch wenn sich das aus dieser Entfernung schwer sagen ließ. Außerdem , musste Herodes zugeben, sehen für mich alle Griechen gleich aus.
    Egal. Hier war er, Knebel im Mund und mit schlaffen Kiefern, seine Augen bewegten sich und erblickten in den letzten paar Sekunden, die sie jemals sehen würden, die überschwänglichen Gesichter und die in die Luft gestreckten Fäuste. Dies war ein abschreckendes Beispiel für die absolute Macht des Herodes. Und die Menge hätte nicht seliger sein können.
    Als Antipas spürte, dass sie sich sattgesehen hatten, reichte er Melchyors Kopf an eine Wache weiter, die ihn wegtrug, damit er auf die Spitze eines Langspießes gesteckt werden konnte, wo er mindestens einen Monat in der Sonne verdorren würde. Nun war Caspar an der Reihe, und wie schon sein kleinerer Gefährte ließ er sein Schicksal nicht stillschweigend über sich ergehen. Vier Wachen mussten ihn in die Knie zwingen, und die Männer mit dem Seil brauchten all ihre Kraft, um ihn niederzuhalten. Der Henker war fest entschlossen, den Kopf diesmal sauber abzutrennen, und er schaffte es – die Klinge fuhr direkt bis auf den Steinblock, mit so viel Wucht, dass der hölzerne Griff der Axt barst. Wieder entfernte Antipas die Kapuze und hob den Kopf hoch, damit alle ihn sehen konnten. Wieder jubelte die Menge wild.
    Und als Antipas meinte, sie hätten lange genug gejubelt, reichte er den zweiten Kopf weiter und hob eine Hand. Die Menge verstummte. Es war so weit.
    »Und jetzt«, sagte Antipas, »kommen wir zu dem Verbrecher, der unter dem Namen ›der Geist von Antiochia‹ bekannt ist. Ein Verbrecher, der lange Zeit die unschuldigen Bewohner Judäas bestohlen, der so viele ihrer tapferen Soldaten kaltblütig ermordet hat. Ein Verbrecher, der viele von euch glauben gemacht hat, er wäre ein Riese! Der euch durch Tricksereien dazu gebracht hat zu glauben, er ließe sich niemals fangen! Und doch hat mein Vater – euer mächtiger König – eben dies getan!«
    Jubel erhob sich. Genau das hatte Antipas bezweckt.
    »Jetzt werden wir sehen, dass dieser ›Geist‹ nichts weiter als ein Mensch ist! Jetzt werden wir sehen, was mit den Feinden Judäas und ihres Volkes geschieht!«
    Der Jubel nahm frenetische Züge an, als die Trommeln wieder

Weitere Kostenlose Bücher