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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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ihm hockte der Polizist auf einer Ofenbank und starrte abwesend in meine Richtung. Es sah aus, als hätte er mein verlängertes Auge schon die ganze Zeit wahrgenommen - wenn auch nicht richtig ernst. Nun aber riss er plötzlich Augen und Mund auf, als würde er gleich losbrüllen, und eilig zog ich die Kamera zurück.
    Mit geschlossenen Augen kauerte ich unter dem Fenster und hielt die Luft an. Jeden Moment rechnete ich mit dem Schlimmsten, auch noch Schlimmeres hielt ich durchaus für möglich.
    »Also Tunfilm für zu Hause«, fragte der Rollstuhlfahrer ungläubig, »ein Volksempfänger für Bilder?«
    »Genau!« Pfarrer Kuhn klang erleichtert.
    Diese Leute waren wirklich von vorgestern. Aber Tunfilm - ich meine Tonfilm - das war überhaupt die Idee!
    29. MÄRZ 2004 Meine liebe Liesbeth oder wer immer das vor Dir lesen mag! Exakt 14 Stunden sind wir jetzt draußen, aber es kommt einem vor wie 14 Jahre - so viel ist passiert. Jede freie Minute nutze ich, um wenigstens das Wichtigste zu berichten, auf dem Schoß, sogar im Laufen - also entschuldige die Krakelei!
    Gerade rasten wir bei einem Pfarrer. Er ist sehr freundlich (besonders seine Frau), und obwohl sie es bestreiten, weist vieles darauf hin, daß die Gegend schon länger in Feindeshand ist, als uns allen lieb sein kann. Anscheinend ist sogar der Kontakt mit den eigenen Soldaten verboten. Der mutige Pfarrer verpflegt uns dennoch, und wir spüren es alle in diesen Stunden: Wenn Deutschland eng zusammensteht, werden wir auch diese Phase des Krieges am Ende in einen Sieg verwandeln.
    Doch der Reihe nach: Es war schon dunkel, als wir den Notausstieg endlich offen hatten. Fast eine Stunde habe ich mich mit Josef gegen die obere Luke gestemmt, abwechselnd gekratzt, geschoben, gekämpft. Sand und Äste lagen darauf, mindestens einen halben Meter dick. Zuletzt mußten wir noch Ottos Rollstuhl auseinander nehmen, denn mit den montierten Motorradfelgen hätte der Sessel nie durch den Schacht gepaßt. Und frag nicht, wie wir Otto nach oben gehievt haben! Er hat geklagt und gestöhnt - wir aber auch.
    Im strömenden Regen haben wir danach eine weitere Stunde verplempert. Aber es war auch einfach zu herrlich, diese Luft zu atmen, ohne Filter, frisch und feucht, dazu echter Regen auf der Haut - was für Gefühle, was für ein Leben!
    Die alte Versorgungsstraße für DB 10 gibt es nicht mehr, nicht einmal mehr Reste davon oder auch nur die Zäune von Sperrkreis I und II. Tiefe Krater und umgestürzte Bäume prägen den Wald und zeugen von den heftigen Kämpfen über uns. Und was soll ich Dir sagen, Liesbeth? Das Gestrüpp trägt frisches Grün. Von wegen Winter oder Jahreswechsel! Ich wußte es immer: Meine Zeitrechnung stimmt. Doch es bleibt ein stiller Triumph.
    Ganz in der Nähe des Nord-Stollens haben wir einen Mast aus Stahl entdeckt. Er mißt am Fuß wenigstens vier Meter im Umfang und ist so hoch, daß anfangs nur ein peitschendes Fauchen über den Baumwipfeln zu hören war. Erst als wir mit freiem Blick unter ihm standen, sahen wir das ganze Ungetüm: Eine stählerne Windmühle ohne Mahlwerk. So schnell, wie sich ihre Flügel drehen, hält sie einem sicher Tiefflieger vom Leib. Ein riesiger Propeller zur Luftabwehr - was für eine geniale Idee. Nur keinerlei Hinweis, wer diese Wunderwaffe hier aufgestellt hat.
    Nach einem kurzen Streit über die Marschrichtung haben wir uns auf Süden geeinigt, wo wir die Straße vermuteten, auf der man uns seinerzeit hierher transportiert hat. Obwohl wir abwechselnd schieben und ziehen, verlangen uns Otto und das unwegsame Gelände anderthalb Stunden ab, bis wir sie finden. Statt auf eine einfache Landstraße stoßen wir jedoch auf eine breite Piste mit vier Spuren. Und natürlich - wie konnten wir das vergessen? Es ist die neue Reichsautobahn Berlin-Hamburg, genau wie vom Führer geplant und versprochen. Stolz und dankbar stehen wir davor und müssen gleichzeitig entsetzt feststellen, daß sie nachts vom Feind für Truppentransporte mißbraucht wird. Unsere Autobahn. Mitten im Reich!
    Die meisten ihrer Mannschaftsfahrzeuge sind klein, höchstens für fünf oder sechs Mann ausgelegt, aber sehr schnell. Es können nur Amerikaner oder Briten sein, so bunt wie sie sind. Eine geordnete Kolonne ist kaum auszumachen. In kleinen Gruppen oder einzeln rauschen sie vorbei und verzichten sogar auf Tarnbeleuchtung, so sicher fühlen sie sich.
    Otto gerät darüber dermaßen in Wut, daß er trotz der Übermacht jäh das Feuer eröffnet. Sicher

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