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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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allem die forsche, junge Frau sah noch nicht zufrieden aus.
    »Eine andere Frage, Frau Thorwart: Welche Position vertreten Sie nach dem letzten Urteil am Oberverwaltungsgericht? Hält die Regierung am Bombenübungsplatz fest?«
    Irritiert starrte ich sie an: So oft hatte ich mich gegen alte und neue Truppenübungsplätze engagiert, dass ich einen Moment brauchte, um mich an den richtigen zu erinnern. Ein persönliches Statement als Friedensaktivistin war allerdings nicht gefragt, ich war nicht mal sicher, ob es die private Frau Thorwart überhaupt noch gab. War ich als Polizistin aber automatisch Regierungsmitglied? Nein, da irrte die junge Frau und ich wollte mich gerade mit einer gewagten Sowohl-als-auch-Konstruktion aus der Affäre ziehen, als Schiller schon wieder dazwischenging und die Reporter grob beiseite schob.
    »Entschuldigung, aber dafür hat Frau Thorwart jetzt wirklich keine Zeit, alles andere über die Pressestelle.«
    Ich schaffte es gerade noch, bedauernd zu lächeln, etwa so wie ein Spielkamerad, der zu früh zum Abendbrot gerufen wird.
    »Mach das nicht noch mal«, fuhr ich Schiller an, als wir allein hinter einem Polizeiwagen standen, »ich kann vielleicht nicht jede Dienstvorschrift auswendig, aber immer noch für mich allein sprechen. Hast du das verstanden?«
    Erst sah es so aus, als wollte Schiller noch etwas erwidern, Luft dafür hatte er schon geholt. Aber dann entsicherten die Kollegen ringsum plötzlich ihre Waffen, dazu gab es Geschrei. Sogar die sonst so coolen Presseleute warfen sich sofort hin. Schiller zuckte ebenfalls. Nur ich nicht:
    »Ob du das verstanden hast?«
    »Schon gut. Okay. Wir sollten ...
    »Ich hab gefragt, ob du das verstanden hast?«
    »Ja doch! Klar. Verstanden.«
    Nachdem das geklärt war, konnten auch wir in Deckung gehen und uns dem Pfarrhaus widmen, wo gerade ein junger Mann zaghaft aus der Tür trat und einen schweren Gegenstand über den Kopf stemmte. Sein Trizeps ... na ja, egal.
    »Nicht schießen«, rief die Reporterin, »der gehört zu uns.«
    Du warst fast bei uns, da stürzte sich Schiller auf dich. Nach einem kurzen Handgemenge hatte er die Kamera. Erst als ihr beide vor mir standet, fiel mir auf, wie jung du warst, und ich genierte mich fast ein wenig für meine Hintergedanken.
    Nachdem sich eine Traube aus Beamten um uns gebildet hatte, fingst du sofort an zu nölen: »Na schön, und nun?«
    »Schnauze«, brüllte Schiller - und ich konnte mir nicht helfen: Manchmal klang er wirklich selbst wie ein Faschist -
    »Wo kommen Sie her?«
    »Aus dem Pfarrhaus.«
    »Das haben wir gesehen. Aber wie sind Sie da rein?«
    »Über den Hof.«
    »Sehr witzig«, schnaubte Schiller, »und Sie haben dort was genau gemacht?«
    »Ein Interview. Kann ich jetzt meine Kamera wiederhaben?«
    Schiller drehte sich kurz zu mir um, als bräuchte er meine Genehmigung für eine kleine Folterei. Aber in dieser Situation konnte ich leider keinem von euch beiden weiterhelfen.
    »Es ist meine Kamera«, sagte eine tiefe, raue Stimme, die dem anderen Kameramann gehörte, der inzwischen mit der vorlauten Reporterin näher getreten war. Sein gelassener Ton beruhigte die Gemüter, auch wenn er das Wort »meine« mehr als betont hatte. Er trug eine zweite Kamera, dazu einen riesigen Schnauzbart. Und diese Kombination kam mir irgendwoher bekannt vor. Wie mir der Mann zublinzelte, sollte es das wohl auch.
    »Aber Herr Busch«, sagte Schiller, »ausgerechnet Ihnen muss ich ja wohl nicht erklären, was eine Polizeimaßnahme ist.«
    Busch - natürlich: Gerd Busch! Sogar Schiller kannte seinen Namen und versicherte sich mit einem kurzen Blick noch einmal bei mir, ob ich das Verhör unter diesen Umständen nicht doch lieber selbst führen wollte. Noch lieber wäre ich allerdings im Boden versunken und wusste nicht mal, was mir peinlicher sein sollte - mein Gedächtnis oder der Ton, in dem Schiller den legendären Kameramann belehrte.
    »Also: Was hatte der Bengel da drin verloren?«
    Du sahst deinen älteren Kollegen an, als müsstest auch du dir jedes Wort genehmigen lassen. Der Alte nickte.
    »Nichts. Wie gesagt: nur ein Interview.«
    »Wie viele sind es?«
    »Na der Pfarrer, seine Frau, dieser Polizist...«
    »Ich meine natürlich: wie viele Täter?«
    »Täter?« Da war es wieder, dieses schlaksige, unverschämte Grinsen: »Also mir haben sie nichts getan. Ich glaube sogar, die tun überhaupt nur so als ob.«
    »Als ob was?«
    »Keine Ahnung - als wollen sie echt SS-Männer sein.«
    »Echte SS,

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