Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
Vom Netzwerk:
genau wie du. Jetzt komm schon: Haben die sich etwa offen von dir filmen lassen?«
    »Und wieso kommt gleich die Thorwart persönlich?«
    »Was weiß ich? Frag doch mal Busch! Wie es aussieht, kennt er die Tussi - ich vermute mal von früher ...«
    Sie wollte ironisch klingen, denn Busch hatte gerade die Schiebetür aufgerissen und wuchtete seine Kameras in den Wagen. Wenn Jenny andeuten wollte, er habe der Polizei einen Tipp gegeben, lag sie allerdings völlig daneben. Dafür hatte er weder genug Zeit gehabt noch wäre das seine Art gewesen.
    »Gerd kennt alle Frauen nur von früher, woher auch sonst?«
    Ich war immer noch voller Adrenalin, da kam es auf eine kleine Frechheit mehr auch nicht mehr an. Sollte er doch toben. Gleich würde ihn mein Material überwältigen. Ich konnte seine Standpauke kaum erwarten. Aber Busch schwieg eisern.
    »Was ist los, Gerd? Willst du mich nicht anschreien?«
    »Hinterher. Erst will ich das Band sehen.«
    Schade. Er wusste es natürlich. Schließlich hatte er mir den Trick mit der Kassette selbst beigebracht: Nie ein wichtiges Band in der Kamera lassen, notfalls immer eine leeres zur Hand haben, falls es mal eng wird. Er konnte stolz auf mich sein. Entsprechend lässig schaltete ich die Geräte ein. Busch setzte wie Jenny einen Kopfhörer auf und die nächsten 20 Minuten hörte ich kein Wort mehr von ihnen. Ab und zu gönnte ich mir einen Blick auf ihre gefesselten Gesichter, aber ließ auch den BKA-Heini nicht aus den Augen, der immer noch vor dem Pfarrhaus hin und her lief und wichtig tat.
    Dein Kollege hatte mir das Interview meines Lebens versaut. Schon deshalb wünschte ich meinen vier klapprigen Kameraden, sie würden ihm entkommen. Vermutlich lagen sie aber immer noch auf den Dielen des Pfarrhauses und stritten sich.
    Als der Hubschrauber über das Pfarrhaus geknattert war, hatten sie mich und ihr ganzes militärisches Gehabe auf einmal vergessen, sogar die Geiseln. Sie hatten sich auf den Boden geworfen und nicht mal mehr an ihren Anführer im Rollstuhl gedacht, bis Fritz ihn mehrmals laut gefragt hatte, ob er etwas sah. Ich hatte auf einen Herzinfarkt getippt, dann aber hatte sich herausgestellt, dass Otto einmal mehr ein genickt war.
    Jenny blickte irritiert vom Monitor auf, als der Van leicht zu schaukeln begann, so sehr musste ich plötzlich kichern. Josef regte sich auf dem Bildschirm gerade wegen der Leibstandarte auf und im Fernsehen, noch dazu in Schwarzweiß, sahen ihre Ledermäntel und Totenköpfe weitaus bedrohlicher aus, als ich es empfunden hatte. Die Waffen - okay, aber die blöden Hakenkreuze und Runen hatten mir vorhin nicht mal eine Gänsehaut beschert. War das der Unterschied zu Schulbuch-Nazis? Dass ich echten Menschen gegenübergestanden hatte, Witzfiguren zudem? Hatten Opa und Oma vielleicht auch nur gelacht, als es losging jedenfalls, und die albernen Uniformen nicht ernst genommen?
    Otto war erst wieder aufgewacht, als seine Leute von unten am Sessel rüttelten. Er riss sein gesundes Auge auf und brüllte unvermittelt »Feuer!«, worauf der Dorfpolizist endgültig die Nerven verlor und beinahe meinen geordneten Rückzug gefährdet hätte. Aus Angst, gleich von seinen Kollegen erschossen zu werden, schrie und flehte er mich an, den Verrückten endlich die Wahrheit zu sagen. So verrückt war ich wiederum nicht. Und noch bevor mir eine neue Ausrede einfiel, rammte ihm der, den sie »den Juden« nannten, einen Gewehrkolben in die Seite. Der Polizist verstummte sofort. Für Fritz allerdings hatte das Gewimmer gereicht, um erneut Verdacht zu schöpfen, auch gegen mich. Als dann auch noch mein Handy klingelte, entsicherte selbst der dicke Konrad nervös seine Waffe, der mir bis dahin eher harmlos vorgekommen war, geradezu gutmütig gegen Fritz oder Josef. Die Hinrichtung des Fernsehers und der überdosierte Kolbenhieb hatten mich natürlich auch geschockt. Zwar konnte ich langsam ihre Namen auseinanderhalten, aber das nutzte mir wenig, so lange acht Ohren, sieben Augen und drei Waffen misstrauisch auf mich gerichtet waren.
    »Jawohl«, brüllte ich ins Telefon, »verstanden.« Der zackige Ton hatte Gerd sicher gefallen. Ich aber schwitzte nur noch und hatte keine Idee mehr, wie ich aus der Nummer je wieder rauskommen sollte. Das mit der Wochenschau war für den Anfang keine schlechte Idee gewesen, Notwehr sozusagen - aber nun?
    Wenn es so war, wie es schien und doch eigentlich nicht wahr sein konnte, durfte ich mich ihnen gegenüber auch nicht unnötig in

Weitere Kostenlose Bücher