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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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brauchst: Bereitschaftspolizei, BGS, Kampfflugzeuge, wenn’s sein muss. Hab ich alles schon geklärt - Hauptsache, ihr bringt die Schweine zur Strecke!«
    So erschrocken war ich über seine Worte, dass ich mich nicht mal für die Kampfflugzeuge bedanken konnte. Ich sah ihn in Gedanken vor mir, wie er zwischen zwei Terminen und einem Interview mit der Lokalzeitung in seiner Limousine saß und telefonierte. Hatte ich wirklich gehofft, es interessiere ihn, wo mir der Kopf stand? Dass mir noch etwas anderes fehlen könnte als ein, zwei weitere Hundertschaften Polizei?
    Die Schweine zur Strecke bringen! Genau das war der Punkt. Plötzlich war gegen Nazis jedes Mittel recht. Es war geradezu Mode, nachdem es jahrelang kein Schwein interessiert hatte.
    Schon bei meiner Amtseinführung vor knapp zwei Wochen hatte ich ständig Gummiknüppel vor Augen, blutende Köpfe, die ganze Härte des Gesetzes. Der BKA-Chef hatte eine kleine Rede gehalten, etwas zu feierlich für meinen Geschmack und voller Komplimente für meine »Wachsamkeit« oder »dieses beispiellose Engagement gegen Rechtsextremismus«, im Grunde lauter Selbstverständlichkeiten. Wolf war auch da gewesen und hatte entsprechend lapidar erklärt, ich würde ja nun auch nichts anderes machen als vorher - gegen Nazis kämpfen, den Anfängen wehren, nur eben Kraft eines Amtes. Und das hatte nach Jahren der ehrenamtlichen Plackerei so plausibel geklungen wie fast alles aus seinem schönen Mund. Aber Schweine zur Strecke bringen?
    Leider war jetzt keine Zeit, mit Wolf diese oder jene Grundsatzfrage zu diskutieren. Lieber ließ ich mir noch ein paar Sekunden telefonisch auf die Schulter klopfen: Er wusste die Sache bei mir »in besten Händen«. Sie sei sogar Thema im Kabinett gewesen. Alle zählten auf mich, die Regierung, das ganze Land! Die Bundesanwälte wären nur eine Formalie, Kosmetik fürs Ausland. Zwar hätte die CIA das schwachsinnige Interview auch schon gesehen, aber zum Glück seien die Amerikaner immer noch vor allem an der Sache mit dem Bus interessiert.
    »Welches Interview«, fragte ich. Manchmal kam es mir wirklich vor, als wüsste ich als Einzige nicht, was eigentlich Sache war - »die Sache«, wie Wolf es ständig nannte.
    »Vergiss das Interview! Lass dich von den Medien nicht kirre machen! Konzentrier dich auf die Ermittlungen! Und sag sofort Bescheid, wenn ihr die Schweine habt - am Besten noch heute vor 21 Uhr, wenn sich das irgendwie einrichten lässt!«
    Tatsächlich traf im Lauf des Nachmittags noch mehr Verstärkung ein. Ganze Polizeischulen aus benachbarten Bundesländern durchkämmten bereits seit Mittag die Felder um Gossow und nun auch die Gassen von Wittstock, nachdem Augenzeugen berichtet hatten, auf dem Marktplatz würden Dreharbeiten mit Nazis stattfinden. Die vier Männer von der Bundesanwaltschaft flogen per Hubschrauber ein und waren zum Glück erstmal damit beschäftigt, ein angemessenes Hotel zu finden, was auch nicht mehr so einfach war. Allein die angereisten Journalisten hätten gereicht, die kleine Stadt zehnmal auszubuchen.
    Scheinbar hatten alle Sender und Zeitungen des Landes sofort ihre Reporter losgejagt, nachdem der erste Bericht bei Kanal 5 gelaufen war. An jeder Straßenecke lauerten Kamerateams, Fotografen und Schreiberlinge belagerten den VW-Bus, den man mir als provisorische Führungsstelle eingerichtet hatte. Fehlten nur noch die vier Opas, nach denen alle suchten.
    Anfangs hätten Fährtenhunde sicher noch Sinn gemacht. Aber die Brandenburger Spürnasen waren gerade zu einem Schnüffelwettbewerb im Saarland. Bis eine Staffel aus Mecklenburg eingetroffen war, hatten andere Suchtrupps bereits jede Spur versaut. Polizeichef Drews wusste schon gar nicht mehr, für welches Waldstück er die neuen Truppen noch einteilen sollte. Einem Nervenzusammenbruch nahe, hatte er sich schließlich in den Feierabend abgemeldet, was wiederum Schiller mächtig Nerven kostete, weil uns die Ortskenntnis fehlte. So drehte jeder auf seine Art durch und das war ein gewisser Trost. Spätestens seit dem Nachmittag hatte ich jeden Überblick verloren und die Einsatzleitung insgeheim in Gottes Hände gelegt. Nach außen hin versuchte Schiller ein paar Fäden zusammenzuhalten.
    Gegen Abend kamen noch Feldjäger dazu, die das Verteidigungsministerium aus Kasernen der Gegend zusammengezogen hatte, als sei die Militärpolizei der Bundeswehr auch automatisch für ein paar verwirrte Ex-Landser der Wehrmacht zuständig. Wir konnten sie nicht

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