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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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gebrauchen. Aber ich nahm die Gelegenheit gern zum Anlass, Elber nach Hause zu schicken, der mich in diesem Zusammenhang einmal mehr hatte belehren wollen, man dürfe Wehrmacht und SS nicht in einen Sack stecken.
    Ich hatte ihm gleich am Morgen befohlen, sich ständig in meiner Nähe zu halten, und in seiner selbstgefälligen Art hatte er das sicher auf sein Fachwissen zurückgeführt. Tatsächlich war ich nur zu feige gewesen, ihn sofort zur Schnecke zu machen. Wie der Wichtigtuer vom Dienst hatte Elber zunächst die Vernehmung von Pfarrer Kuhn kommentiert, der - noch völlig unter Schock - keine Zweifel an der Echtheit der alten Soldaten aufkommen lassen wollte. Und natürlich passte auch für Elber alles zusammen: Ihre Bewaffnung, die Ausrüstung und was der Pfarrer aus den Gesprächen aufgeschnappt haben wollte. Nur bei den Dienstgraden, da war sich Elber ziemlich sicher, habe der angeschlagene Geistliche einiges durcheinandergebracht. Andernfalls hätten wir es mit dem Reichsführer persönlich und einigen seiner engsten Vertrauten zu tun und die seien nun mal nachweislich - er nannte es tatsächlich so - »gefallen«.
    Als ausgerechnet zwei französische Journalisten eine alte Feldflasche gefunden hatten, war er gänzlich aus dem Häuschen geraten. Denn unsere einzige handfeste Spur baumelte an einem Riemen, der nach Elbers zweifelhaftem Fachwissen ursprünglich zu einem Ehrendolch der Waffen-SS gehört haben musste.
    Vor Begeisterung sabbernd und ungefragt erklärte er mir nun noch einmal den Unterschied zwischen Wehrmacht, Waffen-SS und - so Elber wörtlich - »normaler SS, die ja bekanntlich gewöhnliche Polizei- und Wachdienste versah, während die schwarzen Kämpfer für ihre Verwegenheit in ganz Europa berühmt waren«.
    Normale SS. Gewöhnliche Wachdienste. Ruhm und Verwegenheit! Verwegen war es allerdings, so über diese Mörder zu reden. Ausgerechnet mit mir! Natürlich kannte ich die Unterschiede. Natürlich gab es sie nicht wirklich. Und natürlich war das Fass damit endgültig übergelaufen.
    Mein Wutanfall muss Elber dermaßen beeindruckt haben, dass er nicht einmal ansatzweise protestierte. Widerstandslos verschwand er von der Bildfläche. Beurlaubt. Gefeuert. Von mir aus für immer aus dem Polizeidienst entfernt. Schiller hielt meine Reaktion zwar für überzogen, meldete aber auch nur kleinlaut dienstrechtliche Bedenken an: So einfach sei das nicht ohne Disziplinarverfahren, wahrscheinlich nicht mal mit. Mir war das scheißegal. Ich fühlte mich gut, zum ersten Mal an diesem Tag: Ich hatte einen Nazi zur Strecke gebracht. Das war mein Job - und nach Lage der Dinge weitaus klarer als die widersprüchliche Geschichte, wegen der wir eigentlich da waren.
    Noch am Abend verlegten wir die Führungsstelle auf das Gelände eines Baumarktes am Stadtrand, den Fundort der Flasche. Auf dem eingezäunten Parkplatz konnten wir außerdem die Presse besser auf Distanz halten und die Suche bei Dämmerung aus Sicherheitsgründen aufgeben, ohne dass es am nächsten Tag gleich als Kapitulation in der Weltpresse stand. Nachts sollten zwei Tornados über dem Truppenübungsplatz kreisen. Wolf persönlich hatte dafür beim Oberverwaltungsgericht eine Ausnahme erwirkt. Ein Staatssekretär im Außenministerium - so viel zur Praxis der Gewaltenteilung! Tagsüber, so hatte es mir ein Luftwaffen-Oberst erklärt, war es für die Wärmebildkameras schon zu warm.
    Seit ich einmal mit Heike Makatsch vor einem Kino auf dem roten Teppich stehen und zehn Sekunden O-Ton über ihren neuen Film aufnehmen durfte, konnte ich die Höhepunkte meiner Fernsehkarriere an einem Finger abzählen. Nach so einem Hammer erwartet man nicht mehr viel und ich hätte noch Jahre davon zehren können, schwärmen und meinen Enkeln erzählen. Trotzdem muss ich heute sagen: Unsere erste Expedition in den Bunker kam da schon ziemlich nah ran.
    Der Eingang war nur provisorisch mit ein paar Zweigen und Laub bedeckt. An einem Metallring zerrte Josef Stahl einen Betondeckel zur Seite. Es war eine Art Gully ohne  Löcher, doch statt feuchter Kellerluft wehte uns ein warmer Wind entgegen. Stahl stieg zuerst die Leiter hinab. Nacheinander folgten ihm Busch, Jenny und ich. Konrad und Fritz kümmerten sich um ihren gebrechlichen Chef.
    In etwa drei Metern Tiefe fand Stahl blind einen Schalter. Ein paar schwache Glühbirnen leuchteten auf, und nachdem Busch die Kameralampe aufgesetzt hatte, musste auch niemand mehr stolpern. Der schmale Gang führte wenig später

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