Die Nachhut
als Treppe noch einmal steil abwärts. Rechts und links türmte sich grauer Beton in Schichten auf, zunächst noch verwittert und bemoost, doch je tiefer wir kamen, umso besser sah er noch aus. Nach genau 30 Stufen standen wir etwa zehn Meter unter der Erde vor einer Stahltür, die mit ihrem eisernen Rad in der Mitte aussah, als gehörte sie zu einem Tresor oder auf ein U-Boot.
Einhändig setzte Josef Stahl das Rad in Schwung. Wir hörten schwere Bolzen in die Wand gleiten, alles wirkte wie frisch geschmiert. Er öffnete die Tür, so weit es ging, und wollte uns zunächst den Vortritt lassen. Doch uns war es lieber, er ging weiter voran. Er lächelte beleidigt, aber sah das ein.
Hinter der Stahltür führten zwei Gänge rechtwinklig in die Anlage. Es mussten in jede Richtung wenigstens 30 Meter sein, bis sich die vergilbten Leuchtstoffröhren in der Dunkelheit verloren. Sie waren auf einer Seite der Stollen ungefähr in Augenhöhe hinter Drahtkörben angebracht, auf der anderen rauschte und fauchte es leise in unterschiedlich dicken Rohren. Die Luft war nicht schlechter als in einem fensterlosen Kaufhaus, erstaunlich warm und trocken. Erst als alle unten angekommen waren und Josef die Tür wieder verschlossen hatte, mischte sich ein leichter Hauch von Diesel dazu.
»Luftdicht«, sagte Josef und wies uns den Weg.
In regelmäßigen Abstanden kamen wir an Stahltüren vorbei. Auf der rechten Seite standen sie meist offen und man sah dahinter kleine Räume mit Stockbetten oder uralter Technik vollgestopft. Die Türen linkerhand waren verschlossen und fast alle beschriftet. »Kraft- und Schmierstoffe« konnte ich unterwegs entziffern, aber auch »Vorsicht! Trinkwasserbrunnen« oder »Vorräte Mannschaft«. Nachdem wir etwa alle dreißig Meter und insgesamt dreimal rechts abgebogen waren, trafen wir wieder auf Otto, den die anderen einfach am Eingang abgestellt hatten. Der Gang führte demnach in einem Quadrat um das Innere des Bunkers und schloss die Schlaf- und Aufenthaltsräume ein. Aber erst als Josef eine der äußeren Türen für uns öffnete, war das wahre Ausmaß der Anlage zu ahnen.
Hinter der ersten Tür verbarg sich eine Batterie aus riesigen Stahlfässern, die über Rohre miteinander verbunden waren.
»Die Filteranlage«, sagte Josef so beiläufig wie ein stolzer Hausbesitzer.
»Für das Trinkwasser?«
»Nein, für die Luft. Dreistufig über Sand. Sie wird über getarnte Türme angesaugt, hier aufbereitet und mit leichtem Überdruck eingespeist - gegen eventuelle Gasangriffe.«
Ich nickte anerkennend und pfiff durch die Zähne, denn genau das erwartete er von mir. Busch war mit der Kamera bereits hinter der nächsten Tür verschwunden. Offenbar gehorchte er wieder seinem professionellen Reflex: Erstmal alles aufnehmen, mitnehmen, drehen - wegschmeißen konnte man es immer noch.
Die Vorratsstollen waren teilweise so tief in den märkischen Sand getrieben und mit Betonelementen abgestützt, dass weder meine Taschenlampe noch das Kameralicht reichte, um sie komplett auszuleuchten. Ganz nah musste Busch an die Regale heran, vorbei an mehreren Dutzend Stiefeln, daneben Paletten voller Stiefelfett, Ausrüstung, Werkzeug und Munition. Allein zwei Stollen waren für Dieseltanks reserviert, die sich wie Tanklastzüge auf einem Trucker-Rastplatz aneinanderreihten. Zwei gigantische Schiffsmotoren im Nachbarraum standen still, schimmerten aber ölig im Zwielicht, als würden sie jeden Tag geputzt und sofort anspringen. Noch einen Raum weiter türmten sich auf jeder Seite des Stollens Lkw-Batterien mehrere Meter hoch, alle miteinander und einem kleinen, stetig summenden Umspannwerk verkabelt. Josef erklärte uns jedes Detail:
»Zwölf Wetterschächte. Erdantennen über mehrere Kilometer. Alle Leitungen mit Überdruckrohren gegen Lecks geschützt.«
»Aha«, sagte ich, ohne auch nur die Hälfte zu verstehen.
Danach sollten wir den Brunnen sehen und unbedingt daraus kosten. Josef stieg auf die Leiter an einer Zisterne, die außerdem eine Löschwasseranlage zur Brandbekämpfung speiste. Busch tat, als würde er die Feldflasche übersehen, die uns Josef entgegenstreckte. Also musste ich ran und war auf alles gefasst, doch es ging: etwas abgestanden zwar, aber man konnte es trinken. Josef nickte zufrieden.
Ein zweiter Brunnenkopf am anderen Ende der Anlage konnte die Ringwasserleitung unabhängig versorgen. Überhaupt war alles doppelt da, gesichert gegen dies und jenes, und Josefs Augen strahlten über so viel
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