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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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dagegen: Nicht mit ihm, kein Schritt zurück, niemals! Konrad gibt vorsichtig zu bedenken, daß wir nicht mal eine Feldkarte hätten und die Anlage womöglich gar nicht fänden. Mehr sagt er nicht, doch ich weiß genau: Er will nur eins - nach Hause. Mit Josef ist gleich gar nicht mehr vernünftig zu reden, seit wir in diesem modernen Kraftwagen sitzen.
    Hört ihr das auch, fragt er zum Beispiel völlig unvermittelt, und vor Schreck unterbrechen wir unsere strategische Beratung. Aber so angestrengt wir auch lauschen, wir hören nichts und schütteln reihum die Köpfe. Genau, flüstert Josef, nichts zu hören, obwohl der Motor laufe. Das findet der Jude schier unglaublich und wiederholt es immer wieder: nichts!
    Ihr Fahrzeug ist, zugegeben, wirklich ein phänomenales Stück deutscher Ingenieurkunst: Nicht breiter oder länger als ein Kübelwagen - trotzdem haben wir darin mit sieben Mann Platz. Es ist weder gepanzert noch sichtbar bewaffnet. »Volkswagen« steht am Heck, genauso wie der KdF-Wagen von Professor Porsche heißen sollte. Josef hält das Fahrzeug für eine zivile Version des K1, obwohl er sich auch daran erinnert, daß die Entwicklung nach Kriegsbeginn zum Erliegen gekommen sei. Daß der zivile Automobilbau inzwischen trotzdem Modelle wie dieses hervorbringt, macht uns allen Hoffnung: Wie wird dann erst die Militär-Version aussehen?
    Mich persönlich fasziniert aber noch mehr das Fräulein, das zu unseren Rettern gehört. Anfangs habe ich sie kaum älter geschätzt als Dich, Liesbeth, höchstens 18 Jahre. Tatsächlich behauptet sie, schon 25 zu sein. Ihre beiden Kameraden rufen sie Jenny. Und stell Dir vor: Sie hat noch keine Kinder, ist weder verheiratet noch verlobt und spricht über all diese Dinge, ohne rot zu werden. Junge Männer sind vermutlich knapp, und Gott weiß, Liesbeth, ich war Dir immer treu: Aber wie sie einen selbst bei solch indiskreten Fragen mit den Augen neckt, das ist wirklich kaum zum Aushalten nach Jahren der Verlegenheit. Trotzdem stürze ich mich natürlich nicht gleich auf jeden Rock. Sie trägt ja nicht mal einen - sondern Hosen, noch dazu enge wie ein Mann. Vielleicht ist das Besondere an ihr nur das, was wir nie hatten, nie haben durften: so eine unbekümmerte Art. Ihr fehlt jede Scheu. Sie lacht und lächelt, aber nie billig, eher frech und selbstbewußt.
    Fragt sie mich doch vorhin, wieso wir den Juden ständig den Juden nennen, und vor Schreck weiß ich gar nicht gleich eine Antwort. Es sei eben ein Spitzname, habe ich gesagt, hat sich so eingebürgert, vielleicht weil Josef Stahl als Einziger schwarzes Haar hat und nicht blond ist wie wir, vielleicht auch nur wegen seines Vornamens ... Und was ist ihre Antwort? Erstens wären wir nicht blond, sondern weiß, außerdem fände sie das »rassistisch«. Das ist natürlich Quatsch, denn niemand von uns meint es böse oder unterstellt dem Juden wirklich, ein Jude zu sein. Aber immerhin spricht sie überhaupt mit uns, im Gegensatz zu ihrem älteren Kameraden am Steuer.
    Während mein Vertrauen wächst (nicht nur wegen Jenny!), traut Otto selbst dem kleinen Monse auf einmal nicht mehr über den Weg. Ich habe ihm das mit dem Alter erklärt, aber zwecklos: Er meint, wir wären auch allein mit dieser Stadt fertig geworden, genau wie mit den Kollaborateuren vor dem Pfarrhaus.
    Und wenn es doch Amerikaner waren? Wenn sie uns wirklich suchen, wie Monse behauptet? Wenn wir bisher nur Glück hatten?
    So viele Fragen brennen uns unter den Nägeln. Aber unsere Helfer drucksen nur herum und vertrösten uns auf später, dann würden wir schon sehen. Nichts als Andeutungen. Keiner legt sich fest: Russen? Amerikanische Militärpolizei oder Verräter in Uniform? Wissen sie am Ende selbst nicht mehr, wohin sie gehören und wem unser gemeinsamer Kampf gilt? Ist es das, was Jenny meint, das alles nicht mehr so einfach sei?
    Otto hat schon Recht! Je länger sie vor dem Wagen stehen und über etwas reden, was wir nicht hören (sollen?), desto mehr Wachsamkeit ist angezeigt. Allein ihre Begründung für die Sitzfesseln: Angeblich Vorschrift, zu unserer eigenen Sicherheit - so ein Unsinn! Vorsichtshalber verabreden wir ein Stichwort für den Fall, daß wir sie doch unschädlich machen müssen, die Männer wenigstens. Und gegen alle Regeln der Dienstvorschrift notiere ich es hier, damit Otto nicht hinterher etwas anderes behauptet. Die Parole lautet: Büchsenöffner.
    Mir fällt auf die Schnelle auch nichts Besseres ein, denn da reißt der, den sie

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