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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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Schiller!«, rief es hinter ihm aus dem Zimmer, »das Scheißding sagt keinen Mucks!«
    »Weil die Standleitung noch nicht steht«, antwortete Schiller über seine Schulter, aber ohne einen Fuß zurückzuweichen.
    Als du hinter ihm in der Tür erschienst, war ich fast ein wenig enttäuscht, denn du trugst Jeans und einen grauen Blazer. Gerd grinste ebenfalls, obwohl ich ihm natürlich nichts erzählt hatte. Schiller blieb mit verschränkten Armen trotzig am Eingang stehen, während du uns sogar Stühle angeboten hast. Und ehe wir uns versahen, steckten wir mitten in einem Verhör.
    »Na schön. Sie waren also schon in diesem verdammten Bunker. Warum sagen Sie uns dann nicht einfach, wo er ist?«
    Gerd schloss lächelnd die Augen, als wäre das nun wirklich eine dumme Frage. Ich wunderte mich nur, woher ihr das überhaupt wusstet, bis ich neben einer schwarzen Wandtafel, an der mit Magneten eine Landkarte der Gegend befestigt war, einen Fernseher entdeckte. Darauf lief lautlos das Programm von Kanal 5 und ein Schriftband kündigte ununterbrochen die ersten Bilder aus dem Bunker für das Mittagsmagazin an. Demnach war das Material gut in Berlin angekommen und, klar, Jenny auch.
    »Wissen Sie, wo die Kerle jetzt sind?«
    Gerd schüttelte wieder nur den Kopf: »Selbst wenn ...«
    Ein Beamter erschien in der Tür und räusperte sich.
    Schiller schnauzte ihn an: »Jetzt nicht!« Es schien aber wichtig zu sein und so ging er nach kurzem Zögern mit raus.
    Gerd nutzte die Gelegenheit sofort und beugte sich wie ein Verschwörer über deinen provisorischen Schreibtisch: »Ist es besser, wenn wir uns nicht kennen?«
    Du sahst aus, als wüsstest du auch nicht, was besser ist.
    »Jedenfalls könnt ihr euch nicht einfach mit Informantenschutz rausreden. Immerhin geht es um Faschisten.«
    »Und ob wir das können«, flüsterte Gerd zurück, »es sei denn, du erklärst uns mal, warum ihr so einen Aufstand macht. Sogar Kennzeichen aus Karlsruhe: Bundesanwaltschaft etwa?«
    Lange saht ihr euch in die Augen. Dann griffst du plötzlich in deine Jackentasche und schobst einen Zettel über den Tisch.
    »13 Uhr.«
    Verschiedene Mittagsmenüs standen darauf, Pasta und Pizza, »auch außer Haus«. Busch ließ das Blatt schnell in seiner Gesäßtasche verschwinden, als die Tür wieder aufging.
    Wahrscheinlich bemerkte Schiller unser Schweigen und wollte die Vernehmung gerade fortsetzen, aber du warst schneller.
    »Die Herren berufen sich auf den Schutz ihrer Quellen.«
    »So einfach ist das nicht«, protestierte Schiller und konnte seinen Zorn kaum zügeln, »wenn sie nicht kooperieren, sind sie selbst mit dran. Wir reden hier nicht mehr nur über Propagandadelikte, sondern über schwere Straftaten.«
    »Aha.« Gerd grinste: »Welche sollen das denn sein?«
    »Bildung einer terroristischen Vereinigung zum Beispiel, Geiselnahme, versuchter Mord - wenn Sie unbedingt wollen, sitzen Sie schnell wegen Beihilfe mit im Boot...«
    »Beihilfe zu einem Mord?«
    »Ach, lecken Sie mich doch!«
    Gerd hatte ihm offenbar mehr entlockt, als er wollte. Wir wussten zwar nicht genau, was er gemeint hatte, aber mehr war für den Moment auch nicht drin, denn Schiller warf uns raus.
    Wir streunten noch ein wenig durch die Stadt, die kaum wiederzuerkennen war. Polizei und Presse waren überall, als stünde ein Besuch des amerikanischen Präsidenten bevor. Ich ertappte mich dabei, wie ich mir Sorgen um Fritz und seine Leute zu machen begann. Ab und zu dachte ich aber auch an deine Brüste. Zwei Kollegen vom ungarischen Fernsehen fragten uns, wo sie die Geiselkirche fänden und bedankten sich überschwänglich, dass wir sie sogar in ihrem Auto nach Gossow begleiteten. In der Pension haute sich Busch sofort wieder aufs Ohr. Er schlief lieber, als untätig zu warten. Von Jagemanns Aufzeichnungen wollte er immer noch nichts wissen.
    13. MÄRZ 1945 Liebste, ganz kurz ein Lebenszeichen von mir, denn endlich haben wir wieder eine gültige Feldpostnummer. Es sieht sogar so aus, als hätten wir unseren vorläufigen Einsatzort erreicht. Sogar zwei Briefe von Dir sind angekommen, der jüngste allerdings von Neujahr, noch ans HJ-Lager adressiert.
    Wo genau wir uns jetzt befinden, wissen wir selbst nicht, so geheim ist das alles. Es waren etwa vier Stunden Fahrt von der letzten Kaserne, und nach einer kurzen Pinkelpause - wahrscheinlich südlich von Berlin - noch einmal zwei Stunden Geholper. Die Plane des Lkws blieb immer unten, bis wir zwischen zwei Baracken mitten in einem

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