Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)
ließ, immer nur als »Jeffs Freundin Sydney«
vor.
Eines Abends, kurz nachdem Sydney zu Jeff in seine Wohnung in Cambridge
gezogen war, stieg Jeff auf einen Stuhl, um eine Glühbirne auszutauschen. Er trug
Boxershorts und ein T-Shirt, und Sydney, die sich der ersten Bootsfahrt mit Jeff
und Ben erinnert, küsste ihn impulsiv auf den Oberschenkel. Jeff blickte zu ihr
hinunter.
»Heiratest du mich?«, fragte er.
»Was?«
»Würdest du mich heiraten?«
Verblüfft trat Sydney einen Schritt zurück und ließ sich auf einen Küchenstuhl
fallen. »Ich war zweimal verheiratet«, sagte sie.
»Das weiß ich.«
»Du hast mich nie viel nach meinen Ehemännern gefragt.«
»Ich wollte mir sie nicht vorstellen müssen«, erwiderte er. »Außerdem
kann ich es mit einem Rennpiloten nicht aufnehmen.«
»Natürlich kannst du das.«
»Fliegt er noch Rennen?«
»Nein. Er hatte einen Unfall, bei dem er sich das Bein gebrochen hat.«
»Woher weißt du das?«
»Eine Freundin hat es mir erzählt.«
»Ach so.« Jeff schwieg einen Moment. »Und was tut er jetzt?«
»Er unterrichtet.«
»Genau«, sagte Jeff.
In dieser Nacht lag Sydney wach im Bett und lauschte Jeffs Atemzügen
an ihrer Seite. Sie zitterte, ähnlich wie an dem Tag, als Jeff mit dem Finger über
ihren Oberschenkel gestrichen hatte. Sie hatte den Eindruck, dass diese Geste, genau
wie sein Heiratsantrag, völlig spontan, einem Impuls entsprungen, vielleicht auch
besitzergreifend gewesen war. Dennoch zweifelte sie nicht an Jeffs Gefühlen. Hatte
er ihr nicht immer wieder seine Liebe erklärt? Hatte er ihr nicht immer wieder beteuert,
ohne auch nur einen Moment schwankend zu werden, dass er sich vom ersten Tag ihrer
Begegnung an sicher gewesen sei? Sydney hatte schon früher geliebt, und wenn sie
auch Vergleiche für unfair und unzuverlässig hielt (konnte sich denn irgendwer genau
an Liebe erinnern?), so war sie doch gewiss, dass ihre Gefühle für Jeff ebenso stabil
waren wie die, die sie früher Andrew und Daniel entgegengebracht hatte.
Vielleicht war es einfach der Gedanke an Heirat, der sie schreckte. Zweimal
hatte sie Pläne geschmiedet, Gäste eingeladen, geheiratet und hinterher gefeiert;
beide Male hatte die Heirat zu einer Ehe mit schlechtem Ausgang geführt. Es musste
so etwas wie ein posttraumatisches Heiratssyndrom sein, dachte sie. Oder als würde
Gift versprüht. Würde da eine Therapie helfen?
Sie drehte sich Jeff zu und weckte ihn mit einem Kuss auf die Schulter.
Schlaftrunken drehte er sich halb zu ihr herum.
»Ja«, sagte Sydney.
Jeff blinzelte sie an. »Habe ich dich gerade etwas gefragt?«
»Ja, ich heirate dich.«
Er schien verwirrt. »Das hast du doch schon gesagt.«
»Ja, stimmt.«
Er nickte, dann schüttelte er den Kopf.
»Ich musste es noch einmal sagen«, erklärte sie.
In der folgenden Woche fuhren Sydney und Jeff nach Needham, um es den
Edwards mitzuteilen.
»Das wird lustig werden«, bemerkte Jeff, der am Steuer saß.
»Deine Mutter wird begeistert sein.« Sydney prüfte im Spiegel an der
Sonnenblende ihren Lippenstift. »Du hättest anrufen können.«
»Zu feige«, erklärte Jeff, als er in die steile Auffahrt einbog.
»Wenigstens dein Vater wird sich freuen.« Sydney zog ihre Handschuhe
über. Obwohl Weihnachten lange vorbei war, hing an der Haustür noch ein Kranz.
Jeff zog die Handbremse an. »Ich glaube, wir sind für ihn so etwas wie
die letzte Hoffnung.«
Die Begrüßung war herzlich von Mr. Edwards Seite, distanziert vonseiten
seiner Frau, beinahe als wüssten die beiden schon, was Jeff und Sydney ihnen eröffnen
würden. Kein einziges Mal waren Jeff und Sydney aus eigenem Antrieb nach Needham
gekommen, immer nur, wenn sie eingeladen worden waren. Diesmal hatte Jeff angerufen
und gefragt, ob sie kommen könnten.
Die Mäntel wurden aufgehängt, Mrs. Edwards ließ Sydneys vom Bügel auf
den Schrankboden rutschen. Es wunderte Sydney nicht, dass sie danach einfach die
Tür zumachte.
Schweigend gingen sie alle vier durch einen Türbogen in eines der beiden
Wohnzimmer; das mit den schweren, chintzbezogenen Sofas und Sesseln und den massigen
Polsterhockern. Auf cremeweißen Beistelltischen standen Antiquitäten ganz in Weiß.
Steinerne Vögel. Ein zarter Kandelaber. Ein Stapel Bücher. Ob die wohl je jemand
gelesen hatte?
Weder Tee noch Alkohol wurde angeboten. Jeff und Sydney setzten sich
nebeneinander auf eines der Sofas, Sydney mit geschlossenen Beinen, die Füße flach
auf dem Boden, die Hände im Schoß, ein
Weitere Kostenlose Bücher