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Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)

Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht am Strand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Gast, der Jeffs Eltern nicht kannte und einen
guten Eindruck machen wollte. Für diese Haltung hatte sie sich entschieden. Wenn
sie sie aufgäbe, würde sie nur auf sich aufmerksam machen.
    Jeff saß vorgebeugt, die Ellbogen auf den Oberschenkeln, die Finger verschränkt.
    »Sydney und ich werden heiraten«, sagte er ohne Umschweife, um es hinter
sich zu bringen.
    Mr. Edwards stand auf.
Wieder bemerkte Sydney, dass es ihm Mühe bereitete, den Rücken zu strecken.
Er ging geradewegs auf Jeff zu, der ebenfalls aufstand.
    »Ich wünsche euch Glück«, sagte Mr. Edwards, und Jeff, unversehens gerührt,
umarmte seinen Vater, wobei Vater und Sohn einander auf den Rücken klopften, wie
Männer das gern tun.
    Mrs. Edwards kreuzte zur Abwehr dieses neuen Schlags die Arme über dem
Bauch.
    Mr. Edwards neigte sich Sydney zu, die aufstand und seinen Kuss auf
die Wange entgegennahm. Er ergriff ihre Hand und drückte sie. »Mein liebes Kind«,
sagte er, aber dann konnte er nicht weitersprechen.
    Schnell umarmte ihn Sydney. Über seine Schulter hinwegblickend, fiel
ihr auf, wie klein Mrs. Edwards in dem riesigen Sessel aussah, und als ihr künftiger
Schwiegervater sie freigab, musste sie den starren Blick der Frau über sich ergehen
lassen. Vermutlich berechnete sie gerade den Prozentsatz jüdischen Bluts in den
Adern ihrer zukünftigen Enkelkinder.
    »Wir freuen uns«, sagte Mrs. Edwards.
    Sie stand nicht auf.
    Es gab Champagner, und Sydney stieß mit Mr. Edwards an, der sie nochmals
auf die Wange küsste. Einige Stunden lang genoss sie seine Freude und Jeffs Freude
über die Freude seines Vaters. Aber sie bemerkte auch etwas Falsches in der Fröhlichkeit,
als würden die Feiernden, selbst Jeff, auf einen dunklen, zitternden Ton horchen,
wie er vielleicht von einer Stimmgabel ausgeht, auf einen Ton, der jede Sekunde
grell und durchdringend werden konnte.
    Beim Essen wurde der Tag bestimmt. Man entschied sich für das Sommerhaus.
Julie, die man in Montreal erreichte, rief begeistert ins Telefon: »Jetzt bekomme
ich eine Schwester.« Sie sprach sehnsüchtig von einer Doppelhochzeit, was Sydney
für sich behielt, obwohl sie es genau merkte, als Julie ihrer Mutter das Gleiche
vorschlug. Mrs. Edwards schauderte erkennbar und sagte in einem Ton, der keinen
Widerspruch duldete: »Sei nicht albern.«
    Kein Wunder, dass die Frau mitgenommen aussah, dachte Sydney. Der eine
Sohn wollte eine Jüdin heiraten. Die Tochter war lesbisch. Und der andere Sohn,
nach allem, was man hörte, heterosexuell, hatte sich auf unbestimmte Zeit von der
Familie verabschiedet.
    Das alles legte sie Sydney zur Last.
    Entspannter war die Reise nach Westmassachusetts, wo Sydney ihre Mutter
mit Jeff bekannt machte, und später nach Troy, um Sydneys Vater die frohe Botschaft
zu überbringen. Beide Eltern waren bereits zweimal in früheren Jahren von ihrer
Tochter mit derartigen Neuigkeiten überrascht worden, was die Lust zu feiern merklich
dämpfte. Aber wenn auch ihre persönlichen Ansichten über Heirat und Ehe von Vorurteilen
gefärbt waren, wünschten sie Sydney doch beide, dass sie nach dem Trauma des Verlusts
durch Daniels Tod ihr Glück finden würde.
    Sydneys Mutter war höchst beeindruckt davon, dass Jeff am MIT unterrichtete.
    »Sie müssen ein sehr gescheiter Mann sein«, sagte sie zu Jeff. »Er sieht
ja auch gescheit aus, nicht wahr?«, fügte sie an Sydney gerichtet hinzu.
    »Sehr, ja«, stimmte Sydney mit einem Lächeln in Jeffs Richtung zu.
    Der Mann, ein reisender Vertreter, um dessentwillen Sydneys Mutter einst
ihren Ehemann verlassen hatte, gehörte längst der Vergangenheit an – er war nach
Minneapolis versetzt worden –, aber sie lebte dank einer unerwarteten Erbschaft,
die ihre Mutter ihr hinterlassen hatte, in erheblich besseren Verhältnissen und
arbeitete jetzt halbtags als Sekretärin in der Verwaltung eines Community College.
    »Ich erkenne sie immer«, behauptete sie vielsagend.
    Sydneys Vater in New York tischte ihnen selbst gekochte Spaghetti auf.
Ihn schien nur sehr wenig beeindrucken zu können.
    »Meine Tochter lässt sich nicht so leicht unterkriegen«, sagte er nach
dem Essen zu Jeff.
    Da es spät geworden war, übernachteten Sydney und Jeff in ihrem alten
Mansardenzimmer, unverändert mit den pinkfarbenen Vorhängen und den lavendelblauen
Regalen, was Sydney vielleicht zu Tränen gerührt hätte, wäre sie nicht so glücklich
gewesen. Sie und Jeff schichteten sich in das schmale Bett wie Löffel in der Schublade,
die Köpfe auf

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