Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)
zugänglichen sich
auf ein Kapitel beziehen, das sie noch nicht gelesen hat, eine zutreffende Geschichte
der Familie zusammenzusetzen. Am Samstag wird eine Frau namens Victoria erwartet.
Langsam geht Sydney auf, dass am Wochenende eine ganze Anzahl Leute da sein wird.
Ein seltsames Paar nähert sich vom Strand und der Landspitze dem Haus.
Vielleicht sind sie vom öffentlichen Parkplatz am anderen Ende des Halbmonds aus
zu Fuß gegangen. Sydney weiß genau, was sie sagen. Erinnerst
du dich an den Vision Airlines Absturz? Den in Irland?
Sydney würde interessieren, ob Mr. und Mrs. Edwards diese gewisse Berühmtheit
etwas ausmacht, die sie als diejenigen genießen, die der Witwe des schuldigen Piloten
das Haus abgekauft haben. Es würde sie interessieren, ob sie es für ein Butterbrot
bekommen haben.
Ben reibt sich die Hände. «Haben Sie schon die große Rundfahrt gemacht?«
Sydney ist verwirrt. »Welche?«
»Wir fahren aus dem Hafen hinaus rund um die Landspitze. Ich habe gehört,
dass Sie noch gar nicht auf dem Boot waren.«
»Nein, stimmt.«
Ben wendet sich an seine Schwester, die nahe bei ihrem Vater steht. »Julie,
hast du Lust mitzukommen?«
Niemand ist überrascht, dass das junge Mädchen ablehnt. Es ist wohlbekannt,
dass sie sich vor dem Wasser fürchtet.
»Julie hilft mir mit den Rosen«, sagt Mr. Edwards.
Ein Sweatshirt und ein frisches Handtuch werden herausgesucht. Ihre Turnschuhe
findet Sydney an der Hintertür. Die beiden Brüder und sie steigen in Bens Land Rover.
Sydney sitzt vorn. Jeff stellt ihr Fragen, die leicht zu beantworten sind.
»Was haben Sie an der Brandeis studiert?«
»Entwicklungspsychologie. Ich habe über die emotionale und sexuelle Entwicklung
adoleszenter Mädchen gearbeitet.«
»Keinen Moment zu früh«, bemerkt Ben und lacht leise vor sich hin.
Zweifellos entsprechend instruiert, erwähnen beide weder den Flieger
noch den Arzt.
Ben fährt auf einer sandigen Straße zum Zentrum der Strandsiedlung, die
zu klein ist, um als Dorf bezeichnet zu werden. Es gibt ein Hummerrestaurant und
einen Krämerladen. Mit Schwimmwesten ausgerüstet, gehen die drei einen gekiesten
Fahrweg hinunter zum Ende eines Holzstegs.
Jeff spricht mit einem jungen Mann in Shorts und einem T-Shirt, der ihm
die Hand gibt und lächelt. Sydney, die Brüder und der junge Mann fahren in einem
Boot durch den Hafen. Sie werden bei einer Boston Whaler abgesetzt.
Auf dem Boot setzt sich Sydney auf einen kleinen Angelkasten. Ben nimmt
das Steuer, und Jeff bleibt neben Sydney stehen, eine Hand am Geländer der Konsole.
Ein Motor beginnt rau und leise zu brummen, und sofort wird es windig. Sie zieht
das Sweatshirt über, das ihren Badeanzug bedeckt, ihre Beine aber bloß lässt. Sie
fühlt sich nackter als nur mit dem Anzug.
Die Whaler kämpft gegen die einlaufende Flut, und eine Zeit lang scheint
das Boot im Wasser stillzustehen. Ben sagt, sie hätten sich genau den falschen Zeitpunkt
ausgesucht. Aber Sydney gefällt das Gefühl, reglos in der Luft zu hängen, während
der Motor mit aller Kraft kämpft und das Wasser hartnäckig gegenhält. Sie denkt
an Möwen vor ihrem Fenster. An den Flieger, der plötzlich durchsackte.
Die Enge auf dem Boot führt eine Art Intimität herbei. Momente lang ist
Sydneys Gesicht nur Zentimeter von Jeffs nacktem Oberschenkel entfernt. Wären sie
ein Liebespaar, würde sie sich vorbeugen und ihn küssen. Das würde erwartet werden.
Das ist lediglich eine Beobachtung von Sydney, hinter der kein Verlangen
steckt. Aber ihr geht der Gedanke durch den Kopf, dass sie eine solche Beobachtung
noch vor einem Monat vielleicht nicht gemacht hätte.
Bei der Fahrt quer durch den Hafen weist Ben zuvorkommend auf die vielen
Ferienhäuser an der Küste hin und erzählt zu jedem eine Anekdote. Die Whaler umrundet
die Landspitze und fährt parallel zum langen Strand. Jeff zeigt auf das Sommerhaus
der Familie ganz an seinem Ende. Sydney denkt an die Fahrt mit dem Auto, den Fußmarsch
zum Hafen, das Übersetzen hinaus zum Boot, den Kampf gegen die Flut, die Umrundung
der Landspitze und die knatternde Fahrt am Strand entlang. Ein weiter Weg für eine
kurze Strecke, denkt sie bei sich.
»Wessen Freundin kommt am Wochenende?«, fragt sie, während sie in der
sanften Dünung schaukeln.
»Meine«, antwortet Jeff.
AN DIESEM ABEND sind sie acht
Personen bei Tisch. Mr. und Mrs. Edwards bilden die beiden Flügel eines ovalen
Walnusstischs mit hochglänzend polierter Platte, den Mr. Edwards selbst
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