Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)
aus der Dusche Männergesang – zweifellos aus der Kehle des vergnügten Geistlichen mit dem Interesse an Automobilen.
Von unten dringt eine weibliche Stimme herauf, die sie nicht kennt. Vielleicht die
Frau vom Partyservice. Gleich darauf hört sie deutlich einen Ausruf freudiger Überraschung
von Mrs. Edwards und traut kaum ihren Ohren, so selten vernimmt man in letzter
Zeit von Mrs. Edwards eine Äußerung der Freude.
Wenn Jeff noch draußen am Strand ist, wird sie zu ihm gehen und ihm sagen,
dass er sich beeilen soll. Jetzt wird auch bald Ivers kommen, missmutig zweifellos
wegen der versäumten Yankee-Spiele. Sydney geht die Treppe hinunter.
Sie erblickt ihn im Spiegel, einem runden Spiegel mit goldenem Rahmen,
der über dem Telefontisch hängt. Er trägt Hemd und Krawatte; er ist direkt von der
Arbeit gekommen. Über seiner Schulter hängt ein Kleidersack, und in der Hand hält
er einen Matchbeutel.
Sie bleibt auf der Treppe stehen. Er bemerkt sie im Spiegel, aber in
seinem Gesicht verändert sich nichts. Jetzt versteht Sydney Anna Edwards’ Ausruf
der Freude. Gleich wird es noch mehr Ausrufe geben, allerdings eher solche der Überraschung.
Sydney würde gern lächeln, aber seine Starrheit schüchtert sie ein. Sie
steigt eine Stufe tiefer, und er kommt auf sie zu. Er sieht angespannt und etwas
blass aus, mit einem bläulichen Schimmer auf dem unrasierten Kinn. Nicht so robust
wie bei dem Gespräch in der Bar. Ein Mann, so scheint es, der nicht alles im Griff
hat.
»Haben Sie wirklich geglaubt, ich würde Ihre Hochzeit versäumen?«, fragt
er, als sie die unterste Stufe erreicht.
Nicht Jeffs Hochzeit. Ihre.
»Ich bin froh, dass Sie hier sind«, sagt sie.
»Nicht um alles in der Welt hätte ich mir das entgehen lassen.«
Er geht an ihr vorbei, der Matchbeutel streift kurz ihre Hüfte. Sie lauscht
seinen Schritten nach. Sie schiebt die Hand in die Tasche ihres Kleids und berührt
das blaue Patchwork-Taschentuch.
Mark Edwards hat es sich nicht nehmen lassen, für die Rosen zur Hochzeit
zu sorgen. Eine Woche zuvor hat er Sydney durch den Garten geführt, um sie die Rosen
aussuchen zu lassen, die sie für den Brautstrauß gern haben wollte. Es werde aber
etwas Einfaches sein müssen, sagte er; er sei nämlich Rosenzüchter, kein Blumenbinder.
Einfach sei ihr recht, antwortete Sydney, und gemeinsam einigten sie sich auf eine
Mischung von Farben vom dunklen Creme bis zum Rotorange, lauter Töne, die auf Sydneys
lachsrosa Seide abgestimmt sind. Mr. Edwards wird die Stängel umwickeln, damit
sie sich nicht in die Finger sticht. Sydney wird die Rosen lose gebunden tragen,
als hätte ihr den Strauß gerade erst jemand in die Arme gelegt.
Wie vorauszusehen, liegt Mr. Edwards auf den Knien. Sie bemerkt, dass
er jetzt Knieschoner trägt. Vor einem Jahr war das noch nicht nötig. Er hat einen
Sonnenvisor auf und schneidet mit einer Gartenschere wilde Schösslinge ab. Es ist
Anfang Juli, Hochsaison für Rosen in New Hampshire. Dass es ihm gelungen ist, so
viele verschiedene Arten in solcher Nähe zum Ozean zu kultivieren, ist ein kleines
Wunder, und Leute, die etwas von Gärtnerei verstehen, bleiben oft stehen, um sich
die Blumen anzusehen. Es ist nicht ungewöhnlich, an der Ecke ein fremdes Auto parken
und einen Mann oder eine Frau – mit Mr. Edwards’ Erlaubnis – durch die Blütenpracht
wandern zu sehen.
Sydney bleibt eine Weile am Rand des Gartens stehen. Das Grundstück ist
in Form eines Rechtecks mit nach innen gebogenen Seiten angelegt und wunderschön
gepflegt, mit gehäufelten Beeten, in denen in gleichmäßigen Abständen die Rosen
stehen. Sydney weiß, dass der vom Wasser wehende Wind eine ständige Bedrohung ist;
oft, wenn sie morgens aus dem Küchenfenster schaut, hat er in der Nacht so viele
Blütenblätter abgerissen, dass es im Garten aussieht wie nach einer Party, auf der
Konfetti in Mengen geworfen wurde.
Schließlich bemerkt Mr. Edwards sie und lacht erfreut.
»Steh nicht auf«, ruft sie, aber es ist schon zu spät. Mit einer gewissen
Besorgnis sieht sie zu, wie er sich aufrichtet und aufsteht.
»Ich bin völlig verdreckt«, sagt er im Näherkommen. Er zieht die Handschuhe
aus und neigt sich zu ihr hinunter, um sie auf die Wange zu küssen. »Wie geht es
der Braut am Tag vor der Hochzeit?«
»Sehr gut. Ich habe Ben eben gesehen.«
»Ja, ist das nicht großartig? Ich habe ihn gesprochen, als er hier ankam.
Er ist jetzt oben und duscht. So eine Überraschung. Anna ist ganz aus dem
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