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Die Nacht Der Jaegerin

Die Nacht Der Jaegerin

Titel: Die Nacht Der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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unterbrach sich, das brachte doch nichts. «Ja. Hat Ihnen das Alice erzählt?»
    Dexter rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. Womöglich rechnete er damit, von Merrily mit Weihwasser bespritzt zu werden, während sie dem Dämon Asthma befahl, aus seinem Körper auszufahren. Womöglich fände Lew Jeavons solch ein Vorgehen gar nicht so falsch.
    In diesem Fall hätte allerdings einer von ihnen beiden den falschen Beruf ergriffen.
    Aber was sollte sie tun? Was erwartete Alice von ihr? Merrily lächelte den großen Mann auf der anderen Seite des Tischs nervös an. Sie fühlte sich mehr als unzulänglich, sie fühlte sich wie eine Scharlatanin.
    Und obwohl Dexter durch das Bier lockerer geworden war, wurde die Situation dadurch nicht besser. Er gaffte Jane ziemlich unverhohlen an, während er erklärte, an diesem Tag das erste Mal seit seiner Taufe in einer Kirche gewesen zu sein. Dexter wohnte mit zwei Geschwistern noch bei seiner Mutter. Es war gut, jemanden in der Nähe zu haben, falls eine Asthmaattacke kam. Außerdem war es billiger.
    Dexter begann Jane nach den Clubs in Hereford auszufragen, in die sie am Wochenende gerne ging. Jane nannte vier, und Merrily hoffte, dass sie log. Dexter grinste bei dem letzten Namen anzüglich und sagte Jane, dass er sie dort möglicherweise schon einmal gesehen hatte. Anscheinend war ihm nicht bewusst, dass er doppelt so alt war wie Jane.
    Um etwa halb drei hörten sie ein Auto in die Einfahrt des Pfarrhauses fahren, und Jane stand sichtbar erleichtert auf.
    «Das ist Eirion.»
    «Janes Freund.» Merrily stand ebenfalls auf und ging in das Spülküchenbüro voraus. «Lassen wir die beiden ein bisschen allein, ja, Dexter?»
    «Freund?» Dexter sah aus, als hätte man ihn gerade um irgendetwas geprellt.
    Merrily hielt ihm die Tür zum Büro auf. Sie trug noch ihren Priesterkragen und ihr Messgewand, und das war vermutlich auch gut so – zu viel Ungezwungenheit konnte bei einem übergewichtigen, teiggesichtigen Mann Mitte dreißig, der ernsthaft glaubte, bei jemandem in Janes Alter Chancen zu haben, durchaus einen falschen Eindruck erwecken.
    Merrily setzte sich an den Schreibtisch, und er nahm auf dem Stuhl davor Platz, als wäre er zu einem Bewerbungsgespräch gekommen.
    Und jetzt, Lew?
    ...
das ist zufällig auch das Wichtigste bei spirituellen Heilungen: Man muss sich Zeit nehmen, um die Menschen kennenzulernen und kleine Schlussfolgerungen aus ihren Äußerungen und ihrem Verhalten zu ziehen. Wie viele Ärzte haben denn heute noch die Zeit oder die Geduld, um das zu tun – Zeit zum Reden und Nachdenken, Zeit, um auf eine Eingebung zu warten
?
    Sie hatte eine Zigarette halb aus der Packung geklopft, als Dexter höflich den Kopf schüttelte. Sie schob die Zigarette wieder in die Packung zurück.
    Wir leiden
, hatte Jeavons gesagt.
     
    Eine Stunde war vergangen. Es wurde langsam dunkel.
    Dexter erzählte von seiner geplatzten Verlobung vor zwei Jahren und wie es ihn aus der Bahn geworfen hatte zu erfahren, dass sich seine Freundin Farah schon monatelang mit einem anderen getroffen hatte, sich aber nicht entscheiden konnte, wer von den beiden Männern ihr mehr zu bieten hatte. Schließlich war sie zu dem Schluss gekommen, dass es nicht Dexter war.
    Das Miststück. Jetzt vertraute er den Frauen nicht mehr, erklärte Dexter. Suchte sich lieber was Unverbindliches in Clubs und Diskotheken.
    Wenn wir uns damit beschäftigen würden, was uns die Menschen direkt und indirekt über sich selbst erzählen – wenn wir entspannt genug oder in einer kontemplativen Stimmung sind –, dann kommen Hinweise zusammen, und ein Gefühl oder ein Wort fällt einem ein.
    «Wie alt sind Sie, Dexter?»
    «Neunundzwanzig. Bald dreißig. Ja, ich weiß, ich sehe jünger aus.»
    «Und es gab niemand Besonderen seit Farah? Nur so gelegentliche Geschichten?»
    «Nur Gelegenheitssex», sagte Dexter.
    «Bedeutet Asthma nicht, dass ...» Peinlich berührt von ihren eigenen Worten, unterbrach sich Merrily.
    Dexter aber hatte nichts gegen das Thema. «Nein, ich glaube, die Anfälle kommen nur bei Stress. Und ich bin nur gestresst, wenn ich kein Glück habe. Meistens kann ich ausgehen und hab den ganzen Abend keine Probleme, verstehen Sie?» Er lächelte sie an. «Komisch, was?»
    Merrily lehnte sich zurück. «Sie glauben nicht, dass Ihnen das hier wirklich hilft, oder?»
    Dexter schniefte. «Wenn die alte Alice Ruhe gibt, ist das auch schon was. Das geht nicht gegen Sie. Ich bin eben nicht so gläubig.

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