Die Nacht Der Jaegerin

Kann ich schließlich nichts für, oder?»
    «Nein. Wenn Sie versuchen würden, sich zum Glauben zu zwingen, würde das nur ... Stress erzeugen.»
    «Der Arzt sagt, ich soll Stress vermeiden.»
    «Erinnern Sie sich an Ihren ersten Asthmaanfall?»
    Er schüttelte den Kopf.
    «Wissen Sie, wie alt Sie damals waren? Oder haben Sie dieses Problem schon immer?»
    «War so mit zwölf oder dreizehn.» Er sah sie nicht an. Merrily spürte, wie sich die Atmosphäre zwischen ihnen anspannte. «Ist das wichtig?»
    «Ich habe bloß gerade überlegt, was der Auslöser gewesen sein könnte. Ob es ein bestimmtes ... emotionales Problem gab. Ich weiß nicht, was Alice Ihnen erzählt hat, aber ich kenne mich mit Medizin nicht aus. Ich suche nur nach etwas, auf das wir unsere ... Gebete konzentrieren können.»
    «Gebete?» Nun sah er sie an. «Komisch, dass eine gutaussehende Frau wie Sie Pfarrerin wird und sich mit Gebeten und so beschäftigt.» Er starrte auf Merrilys Brüste. «Sie müssen noch ziemlich jung gewesen sein, als Sie Jane bekommen haben.»
    «Woran denken Sie, wenn Sie eine Asthmaattacke haben?»
    «Was?»
    «Was geht Ihnen da durch den Kopf?»
    «Was ist das denn für eine Frage?»
    «Ich weiß nicht, ist mir nur so eingefallen. Hat Sie Ihr Arzt das noch nicht gefragt? Ich wollte nur wissen, wie es ist.»
    Er starrte sie trotzig an. «Es ist, als ob man ein Glas Milch trinkt, und wenn die Milch auf dem Weg in den Magen ist, verwandelt sie sich in verdammten Beton. So ist es.»
    «Danke.» Das klang nach einem sehr alten Bild. Nach einem Bild aus seiner Kindheit.
    «Ich will nicht mehr darüber reden», sagte Dexter. «Es stresst mich, wenn ich anfange, darüber nachzudenken.»
    Er war in der Dämmerung inzwischen kaum mehr als eine Silhouette. Merrily beugte sich vor, um die Schreibtischlampe anzuknipsen, doch dann ließ sie es bleiben.
    «Und ich will nicht, dass in der Kirche über mich geredet wird», sagte Dexter. «Sie hat gesagt, Sie würden einfach nur ... ich weiß nicht, einfach die Heilung machen.»
    «So läuft es nicht, Dexter – dass die Leute über Sie reden. Unser Gespräch brauche ich, damit Sie
mir
ein paar Anhaltspunkte geben. Alles, was Sie erzählen, ist vollkommen vertraulich. Es bleibt alles unter uns.»
    «Ich hab nichts zu erzählen.»
    «Waren Sie wirklich seit Ihrer Taufe in keiner Kirche mehr? Gab es keine Hochzeiten? Keine Beerdigungen?»
    Er antwortete nicht. In der Stille glaubte Merrily zu hören, wie sein Atem schwerer ging. Sie legte den Finger auf den Lampenschalter, drückte ihn aber nicht herunter. Das grelle Licht würde womöglich wirken wie bei einem Polizeiverhör in einem alten Film.
    «Hatten Sie irgendwann mal Schwierigkeiten mit der Polizei, Dexter?»
    Die Frage war ihr einfach so aus dem Nichts eingefallen.
    «Was?»
    «Hören Sie, es tut mir leid, falls das ...»
    «Ich wusste es, verdammt.» Wütend schob Dexter seinen Stuhl zurück.
    «Es tut mir leid.» Sie zwang sich sitzen zu bleiben. «Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe.»
    Ein Gefühl oder ein Wort fällt einem ein.
    Dexter war aufgestanden. Sein Atem rasselte schrecklich.
    «Das war unpassend», sagte Merrily. «Es tut mir leid.»
    «Keine Ahnung ...» Dexter ging schwerfällig zur Tür. «Keine Ahnung, was die alte Hexe Ihnen erzählt hat.» Er hatte sein Inhaliergerät in der Hand. «Aber nicht mit mir, verflucht nochmal.»
     
    Als Eirion Jane aufs Bett ziehen wollte, ging es für Jane einfach nicht. Nicht, wenn ihre Mutter unten saß und ihr Pfarrerding durchzog.
    «Was macht sie denn eigentlich?»
    «Was?»
    «Da unten. Was hat sie mit diesem Typen zu besprechen?»
    «Ich glaube, sie soll ihn von dem heilen, was ihn an diesen Inhalator fesselt.»
    «Das verstehe ich nicht.»
    «Also.» Jane ließ Eirion ihre Hand nehmen. «Es hat mit Ann-Marie Herdman angefangen. Es ist im ganzen Dorf rumgegangen, dass Ann-Marie Herdman von irgendeiner schrecklichen Krankheit geheilt wurde – die sie hatte oder vielleicht auch nicht –, nachdem Mom für sie gebetet hatte. Wenn es so ein übliches Fürbittengebet für die Kranken in einem normalen Gottesdienst gewesen wäre, hätte kein Mensch was gesagt. Aber weil es eine von ihren geheimnisvollen neuen Sonntagabendzusammenkünften war, wo so komische Sachen wie – der totale Wahnsinn –
Meditation
gemacht werden, muss es natürlich ... verstehst du?»
    «Sie unterrichtet jetzt Meditation?»
    «In einer vereinfachten Christenversion. Nichts