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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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dazwischengeschoben hatten, und hängte mich an sie an. Selbst wenn Forbach bei der Verfolgung der BMW auffiel, würde er nicht mißtrauisch werden; die auf 100 Stundenkilometer zu drosselnde Geschwindigkeit, deren Einhaltung von der Volkspolizei peinlichst überwacht wurde, brachte es mit sich, daß man auf der ganzen Strecke immer wieder dieselben Wagen sah. Für Fahrer, die ohne Nebenabsicht die lange Strecke nach Berlin durchfuhren, wirkte sie eher langweilig als aufregend.
    Einen Moment lang war ich unaufmerksam und knallte mit den Vorderrädern in eine Bodenwelle; Renate lachte.
    »Weißt du, warum es in der DDR so viele Schlaglöcher gibt?« fragte sie und lieferte gleich die Antwort: »Weil sie sich nicht exportieren lassen.«
    »Weißt du, warum die DDR über so viele Parkplätze verfügt?« blödelte ich zurück. »Weil hier weniger Autos fahren als im Westen.«
    Sie lehnte sich an mich, schnurrte und kraulte meine Nackenhaare.
    »Keine Annäherung«, stellte sie fest. »Eine Versöhnungsreise – nur meine Rolle. Bis jetzt noch eine ziemlich stumme Rolle, findest du nicht?«
    »Wir überholen jetzt den grünen Opel«, nannte ich ihr erste Details. »Ich möchte, daß du dir die Gesichter der beiden Insassen genau einprägst, ohne daß sie dein Interesse bemerken.«
    Es klappte wie geprobt; ich blieb eine Zeitlang auf gleicher Höhe, als wagte ich nicht, die Höchstgeschwindigkeit zu übertreten, und setzte mich dann vor das observierte Fahrzeug. Meine Begleiterin kramte in einem Koffer, den ich vorsorglich auf den Rücksitz gelegt hatte.
    »War das alles?« fragte sie.
    »Alles«, erwiderte ich. »Nur wiederholen wir es ein paarmal – so als Zeitvertreib.«
    Es sah nicht aus, als würde sich viel ereignen auf der Transitstrecke, aber wenn man so lange wie ich für die fünfte Kolonne arbeitet, entwickelt sich mit der Zeit ein sechster Sinn. Ich blieb hartnäckig bei meinem Optimismus, die lange Autofahrt nach Berlin würde uns bei unseren Ermittlungen weiterbringen.
    Die Benutzer dürfen die Transitstrecke nicht verlassen. Bei der Einreise werden ihre Namen und ihr Fahrzeug registriert; wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Zeit bei der Ausreisekontrolle auftauchen, löst die Volkspolizei automatisch eine Fahndung nach ihnen aus.
    Die ganze Fahrtstrecke wird ständig überwacht. Neben den häufigen Polizeistreifen werden an den Parkplätzen sogar Rentner als Spitzel eingesetzt. Beim Transfer ist nur erlaubt, auf dem vorgeschriebenen Rastplatz eine Zigarette zu rauchen, in einer Intershop-Tankstelle Benzin einzufüllen oder in einem der Inter-Rasthäuser einen Imbiß einzunehmen.
    Wenn Forbach die Autobahn verließ, um an einem sicheren Ort den Flüchtling aufzunehmen, würde für mich klar, daß er mit Stasi-Agenten zusammenarbeitet. Blieb er aber auf der Transitstrecke, dann konnte er den Austausch nur im fliegenden Wechsel vornehmen.
    Das mochte klappen, sofern man Glück hatte und dabei nicht beobachtet wurde.
    Aber dieses Glück hatte Erwin Forbach schon ziemlich oft gehabt. Durch seinen an der Mauer erschossenen Bruder war er der Volkspolizei nicht unbekannt; auch sein Begleiter Novotny konnte nach vier Jahren Strafhaft und anschließender Amnestierung im Land der Lautsprecher und Leisetreter nicht mehr als ein unbeschriebenes Blatt gelten; es war, als deuteten die beiden Fluchthelfer mit dem Zeigefinger auf sich selbst.
    Wir hatten jetzt schon über hundert eher einschläfernde Kilometer hinter uns und überholten den im 90-Kilometer-Tempo fahrenden Opel wieder, unbeachtet von den beiden Insassen, die einen Biologen, tätig in der Forschungsabteilung der Leipziger Universität, herausholen wollten, dem angeblich die Verhaftung drohte. Pullach war nicht an dem Coup beteiligt, aber an dem Mann interessiert und deshalb auch informiert.
    Wie Novotny sonst aussah, wußte ich nicht; Forbach hatte seinen Schnauzbart abgenommen, trug die Haare etwas kürzer und eine Brille, eine recht sparsame Tarnung. Ich fuhr zügig an der Spitze, achtete ständig darauf, die hundert Kilometer nicht mehr zu überschreiten, und fuhr dabei einen kleinen Vorsprung heraus.
    »Ich kann den Opel nicht mehr sehen«, warnte Renate, und ich ging mit dem Tempo wieder herunter, bis wir in einer sanften Schleife feststellten, daß uns Forbach nach dem Ford und einem Renault als drittes Fahrzeug folgte.
    Wir atmeten die miese Luft der VEB Leuna, passierten Leipzig, ließen den Flugplatz hinter uns, das Rasthaus Bitterfeld. Es

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