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Die Nacht der Uebergaenge

Die Nacht der Uebergaenge

Titel: Die Nacht der Uebergaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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Weder sie,
noch Flavia und Lilith hatten vermocht, dem Mädchen das einst makellose Antlitz
zurückzugeben. Unzählige Male hatten sie die Schnitte aufgefrischt, die Wunden
gereinigt, doch das Salz-Goldgemisch war so tief eingedrungen, dass die feinen
Linien, die das Rasiermesser hinterlassen hatte, nicht auszumerzen gewesen
waren. Sie hatten Wendy nur zusätzlich mit ihrem Tun gequält, dabei jedoch die
besten Absichten gehabt.
    „Es ist schön, dich zu sehen, Kind. Aber du siehst schlecht
aus.“
    Wendy errötete leicht. „Wenig Schlaf und ein überstürzter
Aufbruch. Nicht der Rede wert.“
Sie wollte keine Umstände bereiten und vor allem nicht über ihren Alptraum
sprechen, in dem Acantha sie heimgesucht hatte. Es war schon schlimm genug, von
ihrer Großmutter hierher gebracht worden zu sein. Eigentlich war sie nur
gekommen, um ihren Vater und die neue Frau an seiner Seite zu sehen. Nun wurde
sie beinahe mit allen Facetten der Vergangenheit konfrontiert.
    Imogen nickte verständnisvoll. „Und noch dazu Vollmond. Es
war vielleicht nicht sehr klug von dir, ausgerechnet heute herzukommen,
Awendela.“
    Wendys Augen wurden groß. Vollmond war für sie eine Nacht wie
jede andere auch. Natürlich zogen auch die Schwestern der Tri’Ora in diesen
Nächten aus, um sich Befriedigung in den Armen eines Mannes zu suchen und so
den Fortbestand ihrer Gemeinschaft zu sichern, da die wenigsten Immaculates
freiwillig beitraten. Sie gehörte ganz sicher nicht dazu.
    „Ich bin vorsichtig und notfalls kann ich mich verteidigen.“
Aus einer verborgenen Tasche ihres Kleides zückte Wendy ohne jedes Zögern einen
kleinen Dolch, den sie der Devena unter die Nase hielt, um dies zu beweisen.
Man glaubte ihr aufs Wort.
    Imogen blinzelte irritiert und trat einen Schritt zurück. So
hatte sie das nicht gemeint. In Gedanken revidierte sie ihre Aussage von eben.
Unwissenheit konnte auch zu Missverständnissen führen. Manche von ihnen waren
sogar tödlich.
„Gut. Kümmern wir uns nun um das Wesentliche. Lasst uns nach Nebenan gehen. Ich
habe alles vorbereiten lassen, wie du es gewünscht hast, Thersites.“, fuhr sie
fort, während Wendy den Dolch zurück in der Rocktasche barg.
    „Nana, es ist der Abend der neuen Devenas. Ich finde wirklich
nicht, dass ich mich umziehen muss. Mir gefällt schwarz, ich...“
Die unheilschwangeren Seitenblicke der älteren Damen brachten Wendy vorzeitig
zum Schweigen. Sie machten ihr ohne Worte klar, wie unscheinbar und einfach sie
in diesem gewöhnlichen Kleid aus einem Kaufhaus neben den anderen anwesenden
Immaculate-Damen aussah und damit erst recht auffiel.
    Thersites musste sie nicht extra daran erinnern, aus welcher
Familie sie stammte und dass sie genau diese an diesem wichtigen Abend
repräsentieren musste, eben weil er ein Abend zu Ehren der neuen Devenas war
und keine gewöhnliche Cocktailparty. Thersites hatte genug von dem
Versteckspiel, das Wendy mit ihrem Vater und den anderen Kriegern spielte.
Sie hatten alle irgendwann etwas ganz Furchtbares durchleiden müssen. Wie
sollte man darüber hinwegkommen, wenn man die Vergangenheit totschwieg und
gleichfalls nicht bereit war, in die Zukunft zu blicken?
    Die Schiebetüren vor ihnen glitten wie von Geisterhand auf.
Imogen tauschte ein verschwörerisches Lächeln mit Thersites und die beiden
gingen voran. Wendy folgte. Wieder zögernd, nicht wirklich wissend, was sie auf
der anderen Seite des Zimmers erwartete.
Drei weibliche Bedienstete warteten auf sie. Verlorene, ins Leben zurückgeholte
Seelen wie Dovie eine war, jedoch viel älter und laut Imogen sehr erfahren. Die
kleine Dovie hätte sie zwar wegen ihrer Geschicklichkeit und flinken Art an
erster Stelle hier im Zimmer haben wollen, doch diese kümmerte sich bereits um
das Wohl von Rebeka Kiss. Hoffentlich richtig, denn das Verhalten der jungen
Dame bereitete ihnen allen hier nur Unwohlsein.
    Im Kamin brannte ein großes, angenehm wärmendes Feuer.
Draußen war es zwar um diese Jahreszeit nicht mehr kalt, in einigen Zimmern des
Schlosses jedoch, die weitestgehend durch ihre Lage von den Sonnenstrahlen
verschont blieben, konnte es durchaus kühl bleiben. Wendy würde sich zwar nicht
unbedingt erkälten, aber so ein Feuer trug zur Stimmung und Gemütlichkeit bei.
    „Ausziehen!“ Imogen klatschte befehlsgewohnt in die Hände und
eine der Lost Ones, eine runde Matrone namens Esther, trat vor und machte sich
ohne zu Zögern an Wendys Kleid zu schaffen. Mit einem beherzten Ruck öffnete
sich

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