Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht der Uebergaenge

Die Nacht der Uebergaenge

Titel: Die Nacht der Uebergaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
Vom Netzwerk:
der Reißverschluss und es glitt zu Boden, wo es wie ein Sack zu Wendys
Füßen liegen blieb. Esther reichte ihr eine Hand, damit sie heraussteigen
konnte.
    „Auch die Unterwäsche. Unter dem neuen Kleid kann sie keine
tragen.“
Imogen lächelte zufrieden, als Wendy sich mit einem empört überraschten Blick
zu ihr umdrehte und selbst den Verschluss ihres trägerlosen BHs öffnete und das
Höschen herunterzog. Sofort griff eine andere Lost Soul nach den am Boden
liegenden Sachen, um es in einen Wäschesack zu tun, der bereit stand. Wendy
würde ihre Sachen am nächsten Morgen gereinigt in ihrem Zimmer vorfinden.
    Nackt und bloß stand Awendela nun da. Mit hocherhobenem
Haupt. Ohne Scham, gespannt darauf, was die zwei Damen als nächstes mit ihr
vorhaben würden.
    Thersites hielt gebannt den Atem an und ließ sich auf einem
gepolsterten Stuhl im römischen Stil nieder, um sich Champagner kredenzen zu
lassen. Nathans Tochter als wunderschön zu bezeichnen, war die Untertreibung
des Jahrhunderts. Solange man die Narben in ihrem Gesicht nicht sah, war sie
bei Feuerschein betrachtet das, was man als märchenhaft beschrieb. Nein, selbst
mit ihren Narben war Awendela immer noch höchst verführerisch. Ein Edelstein,
den man unbedingt besitzen wollte. Fast alle Immaculates waren makellos.
Langweilig, farblos. Wendys Großmutter beschlich sofort ein schlechtes
Gewissen, als sie unbewusst daran dachte, die Entführung durch Winston war
eigentlich das Beste, was dem Kind hatte passieren können, um nicht eine von
diesen lüsternen, kleinen Schlampen zu werden, die sich nichts sehnlicher als
einen Krieger in ihrem Bett wünschten, obwohl sie dem weder gewachsen noch
würdig waren. Ihre Mutter hatte ihr zu Lebzeiten einfach zu viele Flausen in
den Kopf gesetzt.
    „Ihr habt eine Viertelstunde, dann muss sie bereit sein.“
Imogens erneutes Klatschen holte Thersites aus ihren Erinnerungen in die
Gegenwart zurück. Wendy setzte sich gerade in eine bereitstehende Badewanne und
ließ sich nach hinten fallen, um unterzugehen, damit auch ihre Haare nass
wurden. Das warme Wasser tat gut. Sie hätte sich gleich nach ihrer Ankunft die
Zeit dafür nehmen sollen, statt sich in aller Hast umzuziehen.
Prustend kam sie wieder an die Oberfläche und Esther fing an, sie mit einem
weichen Schwamm zu waschen. Sie wollte gerade in einen Topf mit Seifenkraut
greifen, der an dem Badezuber angebracht war, doch Imogen hielt sie mit einem
entsetzten Aufschrei davon ab, dieses zu benutzen.
    „In Vollmondnächten niemals dieses Zeug, Esther! Das stört
die natürlichen Signale.“
    Wendy wurde rot. Sie hatte doch gerade klar gemacht, keine
Signale oder etwas in dieser Art senden zu wollen. Esther murmelte verlegen
eine Entschuldigung und beeilte sich nun noch mehr damit, die junge Lady wieder
aus dem Wasser zu kriegen, damit man sie abtrocknen, anziehen und die Haare
machen konnte.
    „Wendy, was ist das?“
Sowohl Thersites als auch Imogen standen hinter Wendy, die auf einem kleinen
Hocker vor dem Frisiertisch saß. Die Lost Soul, die sie frisieren sollte,
schaute immer noch vollkommen schockiert auf die entblößte Nackenpartie, die
vorher noch von den langen, goldglänzenden Haaren bedeckt worden war. Wendy,
die nichts lieber wollte, als endlich fertig zu werden, nachdem man an ihr
gezogen, gezupft und ihr das neue Kleid bis zur Schmerzgrenze geschnürt hatte,
sodass Sitzen eigentlich unmöglich war, wenn man nicht ein gewisses Maß an
Körperbeherrschung besaß, rollte mit den Augen und nahm dem armen Dienstmädchen
die Haarbürste ab, die es wie eine schützende Waffe von sich weggestreckt
hielt.
    „Eine Tätowierung. Panthera tigris. Weiß.“
    „Ja, das sehe ich!“ Thersites wusste nicht, ob sie lachen
oder weinen sollte. „ Aber was macht das Ding an deinem Hals? Das ist doch
ziemlich... ungewöhnlich.“
    Wendy, nun misstrauisch geworden bei den Blicken, mit denen
alle um sie herum auf sie heruntersahen, drehte sich zu ihrer Großmutter um.
Ihre ungewöhnlich bunten Augen glitzerten rosa, die Vorstufe zu rot und
wirklich wütend.
    „Es ist ein Traumsymbol, Nana. Der weiße Tiger ist laut
Angehörigen meines Ordens mein Schutzgeist. Mein Wächter aus einer anderen
Welt. Er steigt aus den Fluten des Meeres und ist in meinen Träumen an meiner
Seite, um mich zu schützen. Den Schutzgeist als Bild auf dem Körper zu tragen,
ist nichts Unübliches. Warum schockiert Euch das so? Es hätte auch eine Kröte
sein können.“
Wendy schnaubte

Weitere Kostenlose Bücher