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Die Nacht der Uebergaenge

Die Nacht der Uebergaenge

Titel: Die Nacht der Uebergaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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sie war gut in ihrem Job, ob es nun um
entlaufenen Hunde oder doch ernstere Themen wie Gewaltverbrechen ging.
    Sie
konnte anderen helfen, wenn sie sich schon nicht selbst helfen konnte.
Romy war kein Kind, junges Mädchen oder Frau gewesen, die leicht in Tränen
ausbrach. Egal, was in ihrem Leben passiert war, sie hatte niemals zugelassen,
dass sie in Tränen zerfloss. Nur in dieser Nacht vor vielen, vielen Jahren. Es
wäre sowieso niemand da gewesen, den sie damit hätte erweichen können oder der
sie tröstend in die Arme genommen hätte. Außer an dem Nachmittag in der
Bibliothek, als sie nicht mehr konnte und einfach in Rys’ Armen
zusammengebrochen war.
    Aber die
Erinnerungen, die Chryses beschrieb, die ihr gehören könnten, wenn ihre Mutter
sich nicht so stur gegen den Mann gestellt hätte, mit dem sie ein ausgefülltes
Leben hätte führen können, fühlten sich an wie eine glühende Klinge in ihrem
Herzen. Sie hatte die Stimme ihres Vaters gehört, doch der Schock der
Rückblende hatte ihr jegliche Erinnerung daran genommen. Sie wagte einfach
nicht mehr, zurück zu blicken, weil sie das Gefühl hatte, dass sonst die
mühevoll gekitteten Risse durchbrechen würden. Und das durfte sie nicht
zulassen. Allerdings konnte sie nichts dagegen tun, dass sich die Feuchtigkeit
in ihren Augen sammelte.
    „Nein,
ich bin bestimmt nicht wie Catalina… Und ich werde es auch niemals sein! Ich
stehe für das äußerst flüchtige Element Luft… Das wird wohl seine Gründe haben.
Und ich muss sagen, dass dir das Schicksal ziemlich übel mitgespielt hat… Du
hast verständlicherweise Erwartungen. Ich kann sie nicht erfüllen, Rys. Ich
werde Ewigkeiten brauchen, bis ich mich in deiner Welt zurechtfinden werde. Ich
kann das alles nicht einfach so hinnehmen wie Cat, die es in vollen Zügen
genießt… Ich weiß nicht, wie sie das geschafft hat, so heil zu bleiben, dass in
ihr nicht alles in Stücke gesprungen ist. Sie hat eigentlich viel mehr Grund
als ich, ein emotionaler Krüppel zu sein…“
    Romy tat
nichts gegen die kleine Träne, die sich aus dem Augenwinkel stahl und über ihre
linke Wange kullerte. Sie wandte einfach das Gesicht etwas zur Seite, damit er
es nicht sah. Allein seine Nähe reichte aus, um ihn ihr so viel Emotionalität
zu wecken, dass sie den Druck der Gefühle kaum aushielt. Die Unsicherheit ihm
gegenüber und die Angst, einfach nicht zu genügen, machten es ihr nicht
leichter, sich nun mit ihm auseinander zu setzen.
    „Ich höre
die Worte, Rys… Prophezeiung… Besondere Verbindung der Seelen… Aber ich kann es
einfach nicht glauben. Du kannst wahrscheinlich nicht verstehen, warum. Wir
kennen uns gar nicht richtig. Ich hab schon sehr lange keinem Menschen mehr
vertraut. Ich weiß nicht einmal, ob ich Bekky vollkommen vertraue… Für dich ist
es wahrscheinlich nicht nachvollziehbar, aber es hat eben niemals jemanden
gegeben, der…“
Romy stockte, weil ihr die Stimme zu versagen drohte. Sie atmete ein paar Mal
tief durch und warf Rys einen flüchtigen Seitenblick zu, bevor sie wieder
wegsah, weil es ihr nur weiter die Kehle zuschnüren würde, ihm in die Augen
sehen zu müssen.
    “Du hast
immer gewusst, wer du bist, wohin du gehörst… Ich habe immer nur gespürt, dass
etwas mit mir nicht stimmt. Es gab genug Leute, die mir das bestätigt haben.
Ich dachte immer, es liegt daran, dass ich nicht dasselbe Glück wie Bekky mit
ihren Adoptiveltern hatte… Versteh mich nicht falsch. Bonny und ihr Mann haben
getan, was sie konnten. Sie waren alles, was ich hatte… Es war absolut
unwichtig für mich, dass Bonny ein Alkoholproblem hatte. An ihrer Stelle wäre
ich vielleicht auch irgendwelchen Drogen verfallen. Ich hab mich um sie gekümmert,
so gut ich konnte, aber eines Tages fand die Sozialbehörde heraus, dass sie die
meiste Zeit des Tages im Rausch verbrachte. Man holte mich natürlich von da
weg… Zwei Jahre vor Schulabschluss und ich konnte wieder einmal nichts dagegen
tun…“
    Romy presste
die Lippen fest zusammen, als sie an den schrecklichen Tag und die quälende
Zeit danach dachte. Sie war aufsässig gewesen, hatte die Schule geschwänzt und
hatte mit den falschen Leuten abgehangen. Nach Bonnys Tod war ihr alles egal
gewesen. Es war ein Wunder, dass sie irgendwie die Kurve gekriegt hatte. Romy
zuckte hilflos mit den Schultern und hielt den Blick auf ihre Hände gesenkt,
die die Lehne ihres Stuhles umklammerten, als wären es Rettungsanker.
    „Bekky
weiß nichts davon, ich wäre dir

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