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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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entlaubtes Unterholz. Der Wind beugte ihre Kronen und trieb loses Unterholz durch den Schnee. Im heller werdenden Tageslicht erkannten sie, dass die meisten Wolken abgezogen waren und sich ein klarer Himmel über dem Land spannte.
    »Wo wollen Sie denn hin? Was haben Sie vor?«, rief Betty-Sue.
    »Hier muss es irgendwo gewesen sein«, erwiderte Clarissa. »Hier hat Frank Whittler auf das Mädchen geschossen!« Die Rückkehr des Mannes, der ihr jahrelang das Leben zur Hölle gemacht und Alex und sie bis an den Rand des Todes getrieben hatte, erstickte jeden normalen Gedanken. »Sehen Sie die kleine Senke am Waldrand? Ich wette, dort brannte ihr Feuer.«
    »Die Bankräuber? Haben Sie nicht gesagt, der Marshal und seine Männer würden sie verfolgen und festnehmen?« Sie drehte sich zu Clarissa um und erschrak, als sie ihre entschlossene Miene sah. »Sie wollen ihnen doch nicht nachfahren? Das ist viel zu gefährlich, Clarissa! Das dürfen Sie nicht tun!«
    Doch Clarissa war längst vom Trail abgebogen und hielt auf die Senke zu. »Frank Whittler und seine Kumpane«, erwiderte sie. »Ich muss wissen, wohin diese Verbrecher gefahren sind. Sie haben eine Bank überfallen und ein kleines Mädchen angeschossen, und wer weiß, was sie noch alles verbrochen haben! Wir müssen ihren Spuren folgen, Betty-Sue! Verstehen Sie denn nicht?«
    »Nein, ich verstehe kein Wort!«
    »Frank Whittler ist ein Verbrecher!«
    Sie schrie die Worte nur so heraus, so wütend war sie plötzlich, trieb die Hunde noch heftiger an und jagte den Schlitten über den Rand der Senke hinweg. Viel zu spät erkannte sie, wie steil und vereist die Abfahrt war. Reflexartig versuchte sie noch, ihr Gewicht auf dem Trittbrett zu verlagern und den Schlitten nach unten zu drücken, um ihn auf den Kufen zu halten, doch sie hatte bereits die Kontrolle über den Schlitten verloren. Das Gefährt neigte sich zur Seite, Betty-Sue kippte schreiend von der Ladefläche, und auch Clarissa verlor das Gleichgewicht. Ihre Hände hingen in der Luft, ihre Füße lösten sich vom Trittbrett, und sie stürzte seitlich zu Boden und pflügte mehrere Schritte durch den hohen Schnee. Wie eine Anfängerin ließ sie den Schlitten sausen.
    »Hilfe!«, schrie Betty-Sue in panischer Angst.
    Clarissa blieb für einen kurzen Augenblick im Schnee liegen und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Der Sturz hatte ihre Panik vertrieben, und ihr wurde schlagartig klar, wie dumm sie sich benommen hatte. Sie erhob sich widerwillig, klopfte ihren Anorak und die Hose sauber und lief zu Betty-Sue. Sie half ihr aus dem Schnee und war erleichtert, dass der Schwester nichts passiert war. »Tut mir leid«, entschuldigte sie sich, »ich habe die Nerven verloren. Das passiert mir sonst nie. Wenn Alex mich sehen könnte …« Sie errötete vor Scham und hielt rasch ihr Gesicht in den Wind. »Es ist nur … ich habe eine wahnsinnige Wut auf Frank Whittler! Nicht nur, weil er Alex und mir das Leben schwermacht. Er ist ein gefährlicher Verbrecher. Sie haben ja gesehen, wozu er fähig ist. Nicht mal vor Kindern macht er halt. Wenn wir ihn nicht bald ins Gefängnis sperren, passiert vielleicht noch was Schlimmeres!«
    Betty-Sue war solche Gefühlsausbrüche von Clarissa nicht gewöhnt und blickte sie verwundert an. »Woher kennen Sie Whittler eigentlich? Was soll das heißen, er macht Ihnen das Leben schwer? Sie sind eine erfahrene Frau. Wenn Sie die Nerven verlieren, muss etwas Schreckliches passiert sein.«
    »Frank Whittler wollte mich ins Gefängnis bringen«, erwiderte Clarissa. Sie erzählte ungern von ihrer Flucht vor dem Millionärssohn, glaubte aber, Betty-Sue eine Erklärung schuldig zu sein. Sie führte ihre Begleiterin zum Schlitten, wischte den Schnee von der Ladefläche und half ihr auf die Decken. In knappen Worten und etwas widerwillig schilderte sie, wie Frank Whittler versucht hatte, sie zu vergewaltigen, und sie mit einer falschen Anklage verfolgt hatte, nachdem sie davongerannt und in die Wildnis geflohen war. »Er war besessen von der Idee, mich zu vernichten«, schloss sie ihren Bericht. »Er konnte nicht ertragen, dass sich ihm eine einfache Frau widersetzte. Das war er nicht gewöhnt.« Sie hielt einen Moment inne. »Als seine Familie und er in den Bestechungsskandal verwickelt wurden, dachte ich, wir hätten endlich Ruhe vor ihm, aber jetzt zieht er als Verbrecher durchs Land und hat sicher noch weniger Hemmungen, wenn er Alex und mir begegnet.«
    Bei den Worten, so nüchtern sie Clarissa

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