Die Nacht der Wölfin
das Sofa nehmen und dösen, während wir reden.«
Okay, zum Teufel mit den Subtilitäten. Zeit für den Generalangriff. »Du musst dich ausruhen. Dein Bein bringt dich wahrscheinlich fast um, und von dem Arm brauchen wir gar nicht zu reden. Kein Mensch wird glauben, dass irgendwas nicht stimmt, wenn du mit der Besprechung bis morgen wartest.«
»Ich schaffe das schon. Knirsch nicht so mit den Zähnen, Elena; für Zahnreparaturen bin ich nicht qualifiziert. Wenn du helfen willst, kannst du die anderen zusammensuchen und sie ins Arbeitszimmer bestellen, soweit sie nicht schon dort sind.«
»Wenn ich wirklich helfen soll, könnte ich dich auch bis zum Morgen k.o. schlagen.«
Er schenkte mir ein schiefes Lächeln, dem ich entnahm, dass der Vorschlag verlockender klang, als er zugeben wollte. »Wie wäre es mit einem Kompromiss? Du kannst erst die anderen zusammensuchen und mir dann einen Whisky einschenken, vorzugsweise einen doppelten.«
Vor dem Hinterhalt hatte Jeremys Informationsreise bestätigt, was Clay und ich bereits wussten – dass wir drei Mutts in Bear Valley hatten. Dazu waren noch einige Details ans Tageslicht gekommen. Marsten war als Erster der drei eingetroffen, noch vor Cain und LeBlanc. Er hatte sich vor drei Tagen im Big Bear eingemietet, war also vor Brandons Tod schon in der Stadt gewesen. Nachdem einige Zwanzigdollarscheine das Gedächtnis des Rezeptionsangestellten aufgefrischt hatten, hatte dieser sich an einen jungen Mann erinnert, auf den Brandons Beschreibung zutraf und der Marsten mehrmals im Hotel besucht hatte. Damit war jeder Zweifel daran ausgeräumt, dass Brandon mit den anderen zu tun gehabt hatte. Ich fragte mich, ob auch Marsten in jener Nacht bei der Raveparty gewesen war und seinen Whisky Soda genossen hatte, während er Brandon und mich beobachtete, verborgen in irgendeiner dunklen Ecke, wo der Zigarettenrauch seinen Geruch überdeckte. Ja, ich war mir sogar sicher, dass er da gewesen war. Er hatte gesehen, wie Brandons Wandlung begann, hatte vorhergesehen, was als Nächstes geschehen würde, und war hinausgeschlüpft, bevor das Chaos ausbrach, wobei er seinen Protegé seinem Schicksal überließ. Mutts mögen in der Lage sein, eine Art von Verbindung untereinander aufzubauen, aber diese Verbindungen halten nur so lange, wie sie beiden Seiten Vorteile bringen. In dem Augenblick, in dem Marsten gesehen hatte, dass Brandon in ernsthaften Schwierigkeiten steckte, war sein einziger Gedanke gewesen, den Schauplatz schleunigst zu verlassen, bevor er selbst mit hineingezogen wurde.
Cain und LeBlanc hatten sich an dem Abend, an dem Brandon starb, im Big Bear eingemietet. Wahrscheinlich waren sie Logan entweder von Los Angeles aus gefolgt oder hatten ihn am Flughafen abgefangen. Ihm in Bear Valley aufzulauern wäre so gut wie unmöglich gewesen. Während wir Brandon gejagt hatten, war Logan schon tot gewesen und hatte wahrscheinlich hinten in einem Mietwagen auf dem Weg nach Bear Valley gelegen. Zu irgendeinem Zeitpunkt mussten sie von Marsten erfahren haben, dass Clay und ich in der Stadt waren, und jemand kam auf den Gedanken, Logans Leiche an unserem Auto zu deponieren. Ich nehme an, es war LeBlancs Idee gewesen. Cain hatte nicht genug Hirn, um sich so etwas einfallen zu lassen, und Marsten war sicherlich der Ansicht, so plumpe Scherze seien unter seiner Würde.
Es war kurz vor sieben Uhr morgens, als jemand an der Haustür klingelte. Wir sahen auf; das Geräusch ließ uns alle zusammenfahren. Die Klingel war in Stonehaven kaum jemals zu hören – das Haus war zu abgelegen für Vertreter und Zeugen Jehovas, und Lieferungen gingen an eine Postfachadresse in Bear Valley. Selbst die Rudelmitglieder klingelten nicht – mit Ausnahme von Peter. Ich glaube, wir alle dachten daran, als wir die Türglocke hörten. Niemand bewegte sich vor dem zweiten Klingeln, dann stand Jeremy auf und verließ den Raum. Ich folgte ihm. Vom Esszimmerfenster aus sahen wir ein Polizeiauto in der Einfahrt parken.
»Das brauchen wir jetzt nicht«, sagte ich. »Das brauchen wir wirklich nicht.«
Jeremy schüttelte die Schlinge vom Arm und deponierte sie an der Garderobe im Vorraum, dann nahm er Clays Sweatshirt von einem der Haken. Ich half ihm hinein. Das dicke lockere Kleidungsstück verbarg die Armschiene, und die Hosen verdeckten den Verband. Er hatte sich vor ein paar Stunden erst umgezogen, und seine Kleidung war sauber und unzerknittert. Damit schlug er uns andere um Längen. Ein Blick in den Spiegel
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