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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Hofmann-Runges war die Frage unbeantwortet geblieben, wo der Meister sich zwischen dem Verlassen seines Hauses und der Ankunft vor der Tür des Bremer Schlüssels aufgehalten hatte. Wagner hatte es während der letzten Tage als nicht so wichtig erachtet, die Zeitspanne war kurz gewesen, und dass der Tod zum Mord wurde, konnte nur auf der Brücke geschehen sein. So hatte er gedacht, nun wurde es doch wichtig. Selbst wenn er wollte, konnte er die Überlegungen Claes Herrmanns’ nicht völlig unbeachtet lassen. Und sei es nur, weil es eben ein Monsieur Herrmanns war, der sie aufgeworfen hatte.
    Sein Instinkt sagte ihm, dies war nicht die richtige Spur. So würde er keine Minute seiner kostbaren Zeit vergeuden und Grabbe auf diese Spur der Speisen schicken, auf die Suche nach Antworten auf die Frage, wo Hofmann wann und – vor allem – was gegessen hatte. Sein Weddeknecht musste am Rödingsmarkt anfangen, das verstand sich von selbst. Grabbe hatte ein dickes Fell, ihn würde es kaum beeinträchtigen, in einem Trauerhaus zu fragen, was der da noch putzmuntere, nun leider tote Hausherr als letzte häusliche Mahlzeit bekommen hatte. Wagner hoffte von Herzen, es waren keine Pilze gewesen.
     
    Als er die Treppe hinunterstieg, lag der «blöde Knopf» wieder in seiner Rocktasche. Herkunft und Situation waren zwar geklärt, gleichwohl empfand er ihn immer noch als corpus delicti , Claes Herrmanns hatte es schweigend akzeptiert, als der Weddemeister ihn vom Tisch nahm und wieder einsteckte. In der Diele empfing ihn Elsbeth mit unfreundlichem Blick. Das war er von ihr nicht gewöhnt, in anderen Fällen, die ihn in dieses Haus geführt hatten, hatte sie als Einzige sein Unbehagen gespürt und verstanden und ihm selbst auch ohne Auftrag ihrer Herrschaften stets einen kleinen Teller mit Leckereien gebracht. Heute nicht.
    «Tut Euch und uns allen einen Gefallen», sagte sie in ungewohnt kaltem Ton, «und findet schnell den Mörder. Es ist nicht wirklich schade um Hofmann, obwohl ich das nicht sagen sollte, ja, ich weiß, aber er war kein guter Mensch. Dass Ihr hier nach seinem Mörder sucht, ist allerdings lachhaft. Lachhaft, Wagner, hört Ihr?»
    Wagner biss die Zähne so fest aufeinander, dass seine weichen runden Backen plötzlich fest und männlich erschienen.
    «Ich höre, Mamsell Elsbeth, ich höre immer, aber ich tue auch meine Pflicht. Und wenn Ihr mich nun auf die angeblichen Liebschaften des, nun, des Verstorbenen hinweisen wollt – alles heiße Luft. Er hat es ganz gerne gehabt, wenn das erzählt wurde, hat dies und das dazu getan und nie widersprochen, hat eitel gelächelt. So haben unsere Ermittlungen ergeben. Aber wir haben keinen einzigen Ehemann oder Bruder gefunden, der ihn deswegen anklagen wollte.»
    Elsbeth sah immer noch unversöhnlich aus. Aber da war etwas hinter ihrer Stirn, Wagner hätte zu gerne gewusst, was.
    «Das kommt schon noch, Weddemeister», sagte sie. «Wer gibt so was denn leicht zu, wenn er damit zugleich Ehefrau, Schwester oder Tochter in ein schlechtes Licht rückt.»
    «Das muss ja nicht so sein. Im Übrigen klatschen die Leute viel, aber einige wissen auch Konkretes. So ist es immer. Nur in diesem Fall nicht. Letztlich kam heraus, er hat gerne herumgezwinkert, mal die Hände ein bisschen zu frech wandern lassen, die Blicke noch frecher – mehr nicht. Sonst hätte er auch bald Ärger mit den Amtsmeistern bekommen. Aber wer weiß, vielleicht wartet schon jemand im Rathaus auf mich und weiß Neuigkeiten.»
    Sie hielt ihm die in das große Portal eingelassene kleine Tür auf und sah ihn noch einmal eindringlich an. «Ihr kennt Monsieur Herrmanns doch, Wagner, so unbeherrscht, das zu tun, was Hofmann widerfahren ist, wäre er nie. Das könnte er nicht. Also beeilt Euch, den Kerl zu finden, der uns allen so viel Verdruss bereitet. Das ist eine Bitte.»
    «Das versteht sich von selbst, Mamsell Elsbeth. Ich arbeite immer so schnell ich kann. Aber die Dinge sind manchmal nicht zu beschleunigen, die Dinge gehen ihren Gang, da muss …»
    «Egal was man da muss. Beeilt Euch diesmal noch ein bisschen mehr.» Sie senkte die Stimme und beugte sich ihm zu, der schon eine Stufe der Außentreppe hinuntergegangen war. «Man sagt immer, üble Erlebnisse oder Verleumdungen wirken stets nach. Diese wirkt schon vor! Gleich muss ich in den Salon hinaufgehen und Madam und Monsieur sagen, dass fünf Absagen für das Diner morgen Abend gekommen sind. Fünf! Seit ich als Kostkind aus dem Waisenhaus hierher

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