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Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Titel: Die Nacht des Ta-Urt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Bödeker
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die Stille in eine Kakophonie anklagender kleiner Wisperstimmen verwandelt wurde.
    Dann fühlte sie sich plötzlich wie Schneewittchen mit dem giftigen Stück Apfel im Hals. Sie drohte zu ersticken, wenn sie es nicht wieder los würde .
    Jetzt war es Zeit, alles wieder Ungeschehen zu machen.
    Auf allen Vieren kroch sie durch den Flur ins dunkle Badezimmer, um den letzten Teil des täglichen Rituals zu vollziehen. In ihrem Hals machte sich bereits das bekannte erstickende Gefühl breit, ihr Magen hob sich, ihre Arme fingen an zu zittern, als sich das Gefühl überwältigender Übelkeit in ihr ausbreitete. Ihr Kopf dröhnte, als würden tausend Stepptänzer „ Singing in the rain“ in ihrem Schädel tanzen. Sie schob ihren Oberkörper über die Kloschüssel, steckte den Mittelfinger der Rechten tief in den Rachen, und wie ein Schwall Lava aus einem   unterirdischen Vulkan schoss das Angesammelte wieder hinaus. Das Gefühl, als der Inhalt ihres Magens sich durch die Speiseröhre einen Weg durch Ihren Mund bahnte um in einem Schwall nach Außen zu brechen, war der Moment der Befreiung, der Moment des Ausströmens, der Erlösung.
    Es gab nichts Schöneres, als das Gefühl kalten Schweißes auf der Stirn nach dem Kotzen. Nur noch selten musste sie überhaupt ihren Finger in den Hals stecken, meist reichte schon die reine   Willenskraft aus, um den inneren Druck in ein Ereignis des Strömens und Fließens zu verwandeln.
    Danach lag sie wieder auf dem Boden und weinte befreit und glücklich, bevor sich das wunderbare Gefühl innerer Klarheit wieder in ein Gefühl nagender Leere verwandelte.
    Morgen würde sie ihren Körper mit all seinen häßlichen Affekten, Bedürfnissen und Forderungen wieder besiegen   müssen. Heute half es nur noch, sich in einen unruhigen Schlaf zu quälen.

 
    ***

 
    Schon kurz nachdem Marion wieder zu ihrer Mutter gezogen war, weil sie nicht genug Geld hatte, um eine eigene Wohnung zu finanzieren, hatte sie einen neuen Mann kennengelernt. Er war ihr zuerst sensibel, einfühlsam, interessant und irgendwie überlegen erschienen, aber später stellte er sich als genau das Stück Dreck heraus, als dass sie bisher noch jeden Mann verachten gelernt hatte.
    Sie hatte ihn das erste Mal gesehen, als sie in einer Buchhandlung in der Stadt ein Selbsthilfebuch kaufen wollte, dass ihr eine Freundin mit ähnlichen Problemen wie sie sie hatte, empfohlen hatte. Dabei war sie mitten in eine Veranstaltung geraten. Der Verleger hatte den Autor des Buches "Mandalas führen uns zur Erkenntnis   unseres inneren Selbst" vorgestellt und einige einleitende Worte gesagt.
    Der Mann war nicht besonders attraktiv, hatte aber für Marion eine irre sichere Ausstrahlung. Auf jeden Fall vergaß sie vollkommen ihr Selbsthilfebuch, kaufte dieses Buch über Mandalas und ließ es sich signieren. Er saß neben dem Autor am Signiertisch und musterte ruhig und mit verschlossener Miene die vorbeiziehende Menge.
    Als Marion an der Reihe war, blickte er sie aus grünen Augen an und lächelte.
    Nach der Veranstaltung, Marion wollte sich gerade aus der Tür der Buchhandlung hinaus auf die Straße verdrücken, sprach er sie an. Sie überwand ihre Kontaktscheu und ging mit ihm etwas trinken. Der Alkohol lockerte sie immer ungeheuer auf, und schon bald unterhielten sie sich angeregt. Ja, sie war selbst erstaunt, wie schnell sie ihm eigentlich intime Dinge anvertraute.
    Viel hatte sie von dem Vortrag nicht verstanden, aber das Gehörte hatte ihr vermittelt, dass nicht alle Hoffnung verloren war, wenn Kräfte in ihr wirkten, die göttlichen Ursprunges waren. Zu "göttlichen Ursprüngen" hatte sie zwar keine Meinung, aber was das Unterbewußtsein sein könnte, davon hatte sie eine ungefähre Ahnung. Sie identifizierte damit die ständig in ihr wispernden und raunenden Stimmen, die sich Gehör zu schaffen versuchten, und oft nur unter größter Kraftanstrengung zum Schweigen zu bringen waren.
    Wenn das das Unterbewusstsein war, und es einen, wie auch immer gearteten, göttlichen Ursprung hatte, dann musste sie die Stimmen vielleicht nicht fürchten.
    Ihr Begleiter war im Gegenteil der Meinung, dass sie auf ihre Stimmen hören sollte, auch wenn sie selbst glaubte, dass es nicht immer das Richtige war, was sie von ihr verlangten. Diese Stimmen hatten ihr eigenes Recht, und dieses Recht würden sie früher oder später gegen ihren Willen durchsetzen. Warum also nicht folgen, und so den eigenen Willen durch neue Erfahrungen stärken?
    Das ihre

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