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Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Titel: Die Nacht des Ta-Urt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Bödeker
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Stämmen standen sie bedrohlich wie fremde Soldaten um ihn herum, so eng beieinander, dass sie fast eine Mauer bildeten. Es war dunkel. Nur der Schnee schimmerte matt im Mondlicht und erfüllte die Nacht mit kaltem Zwielicht. Barnabas stolperte über Wurzeln und abgerissene Äste. Furcht erfüllte sein Herz. Er lief geradeaus vor einen Baum, prallte mit seinen mächtigen Schultern gegen den mächtigeren Gegner, schlug lang hin und blieb erschöpft und von Angst erfüllt liegen. Er atmete schwer und hielt die Augen geschlossen.
    Wo war er? Was war mit ihm geschehen?
    Noch nie vorher in seinem Leben hatte er eine derartige Angst verspürt. Er, der bisher noch immer Anderen Angst eingeflößt hatte, fühlte sich plötzlich wie ein Kind, allein gelassen, klein und schwach.
    Wohl einige Minuten lag er erschöpft neben dem Baum, als er neben seinem Ohr plötzlich das heisere Pfeifen fremden Atems vernahm. Infernalischer Gestank wehte ihm ins Gesicht. Von Panik ergriffen riss er sich hoch. Keine Handbreit von seinem Gesicht entfernt sah er sich einer mannsgroßen dunklen Gestalt mit brennenden Augen gegenüber. Schmutzig-gelbe Pupillen von der Größe seines Handtellers verschwanden einen Moment hinter haarigen Lidern, dann starrten ihn die Augen wieder an.
    Maßloses Entsetzen durchfuhr ihn. Er spürte, wie warme Feuchtigkeit seine Beine herunter floss. Er drehte sich um und hetzte los, weg von der Bestie, durch den Wald. Es ging über Wurzeln, durch Büsche und abgestorbenes Astwerk. Dornen rissen Fetzen aus seinem Rock und zogen blutige Furchen durch sein Pockengesicht. Von Zeit zu Zeit meinte er, im Zwielicht des feindlichen Waldes riesige Schatten vor sich erkennen zu können, die geschickt zwischen den Bäumen hin und her huschten. Aber er konnte ihre Umrisse nur ahnen und immer, wenn er schon meinte, sie abgeschüttelt zu haben, blitzten ihn riesige Zähne und glühende Augen drohend an und stinkender Atem schlug ihm ins Gesicht.
    Mehr als eine dieser Bestien war hinter ihm her, hielten sich in einigem Abstand von ihm, verloren aber nie seine Spur.
    Einer seiner Verfolger rammte ihn von der Seite, im Fallen konnte er erkennen, dass es sich um einen Hund handelte, schwarz wie die Nacht selbst und mit einem seltsam lang gezogenen Kopf, der in einer schuppigen Schnauze endete. Wie von einer Eidechse.
    Solche Biester hatte er noch nie gesehen.
    Das Viech hatte einige Meter von ihm Aufstellung genommen und starrte ihn nun abwartend an. Barnabas rappelte sich wieder auf, wechselte willkürlich die Richtung und stolperte und fiel tiefer in den Wald hinein.
    Mehrere Male wiederholte sich das Spiel, sie rammten ihn und er hastete angsterfüllt weiter, bevor er von Ferne plötzlich einen dünnen Streifen Licht wahrnahm. Der Streifen verschwand wieder und erschien erneut, wie ein Blinzeln warf er ein Fünkchen Hoffnung in das grimmige Gesicht der Nacht.
    Barnabas hielt auf den Streifen zu.
    Und tatsächlich, langsam vermochte das schmale Band aus Helligkeit die schwarze Nacht zu durchbrechen und Barnabas erkannte, dass der Wald sich zu einer Lichtung hin öffnete. Undeutlich hörte er lautes Rufen und Geräusche wie von dumpfen Schlägen.
    Wenn er die Lichtung erreichte, würde er seinen Verfolgern entkommen können. Dort waren Menschen, die ihm vielleicht helfen konnten. Er stolperte weiter. Durch die Zweige erkannte er, dass Männer hin und her liefen.
    Endlich erreichte er den Rand des Waldes. Vor ihm lag im hellen Mondschein ein weiter Platz. Barnabas sah, dass Männer, alle vollkommen nackt und mit Stöcken bewaffnet, gegeneinander kämpften. Ihre Schreie hallten über das Schlachtfeld, der Geruch ihres Schweißes wehte zu ihm herüber. Über ihnen, in der Luft, flogen Raben und durchschnitten das Gebrüll der Männer mit ihrem heiseren Krächzen, den Rand der Lichtung hielten wie zur Wache Dutzende von den riesigen, im Zwielicht bläulich schimmernden Hunde besetzt, die ihn auch hierher getrieben hatten. Aufmerksam schienen sie das Hin und Her der Schlacht aus ihren gelben Augen zu beobachten. An einem Ende des Platzes war eine Erhöhung. Darauf hockte ein tierähnliches Wesen. Ein Dämon, wie Barnabas mit Schrecken dachte. Auf dem aufgedunsenen Leib eines Nilpferdes konnte er den riesigen, hautlosen Totenschädel eines Krokodils erkennen. Von der lang gezogenen, flachen Schnauze ragte ein Horn in den nächtlichen Himmel hinauf. Über dem Kopf des Untieres züngelte eine Flamme empor, die Barnabas an Abbildungen der

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