Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)
die man aus zerschlagenen Mündern presste, bevor man die Opfer dem Henker überließ. Vom Rand der Stadt her glühte seit den ersten Abendstunden ein dunkler Feuerschein.
Die Scheiterhaufen brannten.
Der Gestank verbrannten Fleisches begann sich in der Stadt auszubreiten. Frauen und Männer atmeten mit ihren letzten Atemzügen beißenden Rauch ein und bereuten Sünden, die sie nie begangen hatten.
***
Am nächsten Morgen, nach einer Nacht am Rande des Fiebers, suchte Wessel das Haus von Gregor, seinem General, auf. Eine alte Vettel stand meckernd vor dem Gehöft und reckte drohend ihre dünnen Arme zu den oberen Fenstern, hinter denen sich Gregors Frau verborgen hielt.
Man hatte ihn gleich als einen der Ersten gestern abend abgeholt und in den Keller des Rathauses gebracht. Seine Frau wusste nicht, was weiter mit ihm geschehen war, aber sie hoffte nicht mehr darauf, dass er noch einmal zurückkommen würde. Wessel senkte den Kopf und ging wieder.
Vorsichtig besuchte er an diesem Tag, bevor er abends wieder dem Verhör beiwohnen musste, die Häuser, von denen er wusste, dass Brüder in ihnen wohnten.
Aber die meisten waren verhaftet, einige hatten sich gewehrt und waren totgeschlagen worden, einigen wenigen war die Flucht gelungen.
Die, die noch in ihren Häusern hockten, wollten nicht mit ihm sprechen.
Wessel fürchtete, dass bald auch sein Name fallen würde, aber als wüssten seine Brüder, dass er noch etwas für sie tun müsste, fiel sein Name nicht.
***
In der zweiten Nacht begann man mit der Tortur. Der Henker und sein Gehilfe entblößten Carda und steckten ihre Daumen in die Schrauben, schraubten diese langsam zu und quetschten die Daumen. Dann preßten sie mittels der spanischen Stiefel ihre Waden glatt und schlugen zur Erhöhung der Qual mit dem Hammer auf die Schrauben.
Damit die anwesenden Herren Richter durch das Jammergeschrei Cardas nicht gestört wurden, steckten sie ihr ein Beißholz in den Mund.
Als nächstes banden sie ihr die Hände auf den Rücken und befestigten diese an einem Seil. An diesem Seil wurde sie frei in der Luft schwebend in die Höhe gezogen, rasch heruntergelassen und wieder hochgezogen.
Carda schrie fürchterlich und bat um Gnade, stritt aber das ihr zur Last gelegte Verbrechen beharrlich ab. Um ihren Trotz zu brechen, wurden ihr daraufhin schwere Gewichte an die Füße gehängt.
Wessel zitterte unter seinem Umhang.
Er saß in der Ecke des engen Kellerloches auf einem Schemel und hatte alles gewissenhaft zu notieren. Der Raum war voll mit den beiden Richtern, dem Scharfrichter und seinem Büttel und ihm, dem widerwärtigsten Kameraden, den Gottes Erde je gesehen hatte.
Es stank nach Schweiß und Angst und Schmerz. Die Wände waren feucht von den Ausdünstungen der Männer und der gefolterten Frau.
Der Scharfrichter fuhr damit fort, Carda Schwefel und brennendes Pech auf den Körper zu träufeln. Das Atmen wurde fast unmöglich, als sich der Gestank von Cardas verbranntem Fleisch ausbreitete.
Erst als man endlich einsah, dass sie zu einer Aussage nicht mehr fähig war, wies einer Richter mit einer Handbewegung den Scharfrichter an, sie abzunehmen und für die nächste Nacht so weit zu pflegen, dass man mit der Befragung fortfahren könne.
***
Wessel lernte, das Grauen in seinem Innern zu bewahren und als er endlich bemerkte, dass die Tür zu seinem Haus aufgebrochen worden war, setzte er sich auf sein Bett und wartete geduldig und ergeben auf die Häscher. Für ihn stand fest, dass sie da gewesen waren und bald wieder kommen würden, um ihn zu holen. Nun also hatte ihn ein Bruder verraten. Er verzieh es ihm.
Aber als er nach Stunden einsehen musste, dass keine Soldaten mehr kommen würden, dass er weiter als Feigling leben musste, begann er das Haus zu durchsuchen, um herauszufinden, was die vermeintlichen Plünderer gefunden hatten, was ihnen wertvoll genug erschienen war, um es mit zu nehmen.
Aber nichts fehlte.
Sein Weinkrug war noch da, ebenso die Kiste mit dem Besteck, und auch die Bücher lagen unangetastet auf seinem Tisch.
"Die Dokumente", schoss es ihm durch den Kopf.
Sie waren weg.
***
In der dritten Nacht schließlich war Carda in einem bedauernswerten Zustand, aber immer noch nicht geständig. Für die anwesenden Richter war klar, dass der Teufel, mit dem sie sich vermählt hatte, ihr den Mund verschlossen hatte um seine Verschwörung gegen die Christenheit nicht ruchbar werden zu lassen.
Wie sonst
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