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Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Titel: Die Nacht des Ta-Urt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Bödeker
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hätte sie so lange durchhalten können?
    Der Scharfrichter brach ihr die Arme und Schulterknochen aus den Gelenken, schnürte die Arme rückwärts am Hinterkopf fest zusammen und zog sie wieder so hoch, dass Gewichte an ihren Füßen befestigt werden konnten. Sein Gehilfe schlug sie währenddessen mit bleibeschwerten Ruten und Haken.
    Als Carda endlich ohnmächtig wurde, und auch nicht mehr aus dieser Ohnmacht erwachen wollte, beschloss man, in der nächsten Nacht mit der Befragung fortzufahren.

 
    ***

 
    Der Geruch von verbranntem Fleisch vertrieb die Vögel aus der Luft und lockte die Wölfe aus dem Wald. Jedes dritte Kind war ohne Mutter oder Vater. Es gab keine Unschuldigen mehr in der Stadt. Als hätte der Hass in den Herzen der Menschen nur darauf gewartet, dass ein Gerücht ihn entzünde, setzte ein Flächenbrand des Mißtrauens die Stadt in Flammen. Nachdem die Gefolterten unter entsetzlichen Qualen ihre Gefährten in den Sog der Inquisition hineinzogen, um ihr Leid zu verkürzen, nahmen nun die Feigen die Fackel des Verrats auf, noch bevor ein Verdacht aufkommen konnte. Der Bruder zeigte den Bruder an.
    Wessel schlief den ganzen Tag. Er hatte keine Tränen mehr.
    Er träumte, dass die Göttin ihr Gesicht von ihm abwendete. Ihr gütiges, mildes Gesicht wandte sie von ihm ab. Aber an ihrem Hinterkopf hatte sie ein anderes Gesicht, und dieses Gesicht war das Gesicht Cardas , geschwollen von den Schlägen des Scharfrichters, mit aufgesprungenen Lippen und schwarzen Löchern, dort, wo einst Zähne waren, lächelte sie ihn an und verfluchte ihn, dass er nichts getan habe sie zu retten, dass er sie den Folterern überlasen habe, dass er dabeigestanden und zugesehen habe, dass er den Auftrag seiner Brüder verraten habe.
    Verfluchte ihn.
    Schweißgebadet und schreiend wachte er auf.
    Die vierte Nacht brach an.

 
    ***

 
    Nach einigen Stunden, in denen der Scharfrichter Carda immer wieder aus einer tiefen Ohnmacht befreien musste, gingen die anwesenden Herren Richter, ermüdet durch die lange Prozedur, zu Speis und Trank, um erholt wieder die Befragung aufnehmen zu können.
    Die Luft wurde allzu schlecht in dem fensterlosen Verlies.
    Der Scharfrichter und sein Gehilfe setzten sich in eine Ecke und würfelten.
    Mochte der Schreiber auf die Hexe aufpassen.
    Vorsichtig ging Wessel auf Carda zu. Wie ein Bündel Stroh hing sie in ihren Ketten. Das knochige Gesicht des Todes zeichnete sich bereits unter ihrer Haut ab.
    Er beugte sich zu ihr herunter.
    Von draußen hörte er undeutlichen Lärm, Schreie und ein dumpfes Klatschen, aber er kümmerte sich nicht darum. Wahrscheinlich brachten die Soldaten neue Gefangene.
    Er wollte etwas Tröstendes zu ihr sagen, eine gutgemeinte Lüge, die ihr hätte Hoffnung machen können, aber ihm fiel nichts ein.
    Statt dessen öffnete Carda den Mund und murmelte, nur noch halb bei Verstand:
    „Nicht das Ende.“
    Wessel meinte zu verstehen. Er nickte Carda zu. Carda versuchte wieder, ihm zuzulächeln. Sie wünschte ihm Mut. Sie, die hier am Ende ihres grauenvollen Leidens nur noch den baldigen Tod zu begrüßen hoffte, lächelte ihm ermutigend zu. Er war es, der das Schlimmste noch vor sich hatte, nicht sie. Er musste beenden, was gerade erst angefangen hatte.
    Er beugte sich tiefer zu ihr hinunter um nun endlich doch etwas zu sagen, etwas, was ihn von seinen Schuldgefühlen befreien und ihr zeigen sollte, dass er alles tun werde um ihren Tod zu rächen...
    Als hinter ihm ein gewaltiges Krachen ertönte.
    Noch bevor er sich umdrehen konnte, traf ihn etwas im Nacken. Er spürte, wie etwas Spitzes heiß in sein Fleisch eindrang. Ihm wurde schwarz vor Augen aber er beherrschte sich, drehte sich um und sah gerade noch das Maul eines Höllenhundes vor seinem Gesicht zuschnappen, dann traf ihn etwas Schweres am Kopf und er wurde endgültig ohnmächtig.

 
    ***

 
    Die bunten Kringel vor seinen Augen drehten sich langsamer, kamen schließlich zum Stehen und wurden von innen her von einem weißen Licht aufgefressen. Das weiße Licht nahm die ganze Welt ein, um langsam in helle und dunkle Bereiche auseinanderzufallen und endlich Konturen des Raumes in dem er lag, frei zu geben.
    Direkt vor seinem Gesicht sah Wessel den Stiefel des Scharfrichters liegen. Über das grobe, mit der Zeit speckig gewordene Leder kroch ein fetter schwarzer Käfer. In dem Stiefel steckte kein Fuß mehr. Der Käfer kroch dort hinein, wo früher der Fuß gewesen war und wandte sich der blutigen Masse zu, die

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