Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)
nun den Stiefel ausfüllte.
Wessels hob seinen Blick über den Stiefel hinweg.
Sein Schädel brummte fürchterlich. Die Kringel drohten, wieder zu kommen und ihn in die Ohnmacht zurück zu ziehen.
Er rieb sich mit den Händen den Nacken.
Als er die Hände wieder zurückzog, waren sie rot von seinem Blut. Er erinnerte sich, dass etwas ihn zweimal am Hinterkopf getroffen hatte, und nun spürte er auch ein zu dieser Erinnerung gehörendes Stechen.
Er sah sich um.
Einiges von dem Scharfrichter und seinem Gehilfen lag noch im Raum verstreut. Die Hälfte eines Kopfes, man konnte nicht erkennen, zu wem er gehört hatte, lag unter dem Schemel, auf dem der Büttel gesessen hatte. Das Auge, die halbe Nase und die zerfetzten Lippen waren zu einer Fratze des Grauens verzogen. Ein halber Arm lag neben dem Kopf, die Finger der Hand waren um ein Bein des Schemels zusammengepresst. Es hatte dem Besitzer dieser Finger nichts genutzt, er war einfach zerrissen worden. Blut und Gehirnmasse flossen über das Kartenspiel, das im Raum verstreut lag.
Wessel setzte sich auf und sah sich um.
Überall Leichenteile.
Die Tür musste aufgebrochen worden sein, nur noch die Angeln hingen in der Wand, und seinem letzten Eindruck vor seiner Ohnmacht nach waren es die Hunde Mastemas gewesen, die die Tür zum Zerbersten gebracht hatte. Die Hunde waren also hineingestürmt und hatten den Scharfrichter und seinen Büttel zerfetzt.
Aber warum hatten sie ihn ohnmächtig liegen lassen?
Ein weiterer Käfer kroch über seinen Handrücken. Mit einem Schauder schüttelte Wessel ihn ab.
Erst jetzt bemerkte er, dass Carda fort war.
Die Eisenringe an der Wand waren mit Gewalt aufgesprengt. Irgend etwas hatte sie mitgenommen.
Mühsam stand er auf und schlurfte in den Gang. Nach rechts ging es in einer leichten Steigung hinauf in das Rathaus, nach links ging es hinunter in Richtung der anderen Zellen und weiter in Bereiche des Gebäudes, die Wessel noch nie betreten hatte. Pechfackeln säumten in Abständen von mehreren Metern den Weg und hoben kleine Inseln trüben Lichtes aus der eisigen Dunkelheit.
Instinktiv wandte sich Wessel nach links.
Die Hölle lag unten.
Und nach links ging es hinunter.
***
Der Morgen nach der vierten Nacht von Cardas Leiden begann mit einem ersten Frühlingssturm. So lange der Winter gedauert hatte, so schnell schien der Sturm nun die kalte Luft wieder nach Norden drücken zu wollen. Der letzte Schnee verwandelte sich in warmen Matsch. Abgebrochene Zweige und feuchte Blätter, die den ganzen Winter unter der Schneedecke gelegen hatten, wirbelten durch die Luft. In der Stadt trug heftiger Wind die Flammen der Brandstifter zu den umstehenden Häusern. Das Viertel der Armen versank zuerst im Feuer.
Die, die die Hexenjagd übrig gelassen hatte, zogen in schiefen Karren aus der Stadt hinaus.
Schon mittags erreichte das Feuer auch das Viertel der Begüterten. Aber es waren kaum noch Bedienstete zu finden, die die Häuser ihrer Herren hätten retten wollen.
Barnabas trat aus seinem Versteck, einem Holzverschlag in dem er den ganzen Tag und die folgende Nacht auf die Stimme seines Herren gewartet hatte, und ging die Straße hinunter. Die Rollen hatte er in der Hand. Flammen leckten schon nach dem Schuppen hinter ihm.
Barnabas war ganz ruhig.
Sein kleiner Führer würde ihm schon zeigen, wohin es ging.
Es ging zum Rathaus.
Kap-5
Vorbereitungen
Eric saß auf dem Bett in seinem Hotelzimmer und lud vorsichtig die Waffe, die er vor einigen Jahren einem Zuhälter abgekauft hatte.
Er hatte noch nie geschossen und bisher hatte die Pistole, eine Walther PPK, immer ungeladen in seinem Gepäck gelegen. Aber er hatte sie immer penibel sauber gehalten. Er erinnerte sich daran, dass er sich schon beim ersten Mal, als er sie in Händen gehalten hatte, gewundert hatte, wie leicht sie war. Auf der Seite der Waffe stand in goldenen Lettern graviert: "1992-1999 Last Edition".
Er würde sie hoffentlich bald gebrauchen können.
Er schluckte hart und schob die erste Patrone in das Magazin.
Ihm war nicht wohl dabei, dass er Elaine so angelogen hatte. Er hatte nichts weniger im Sinn, als die hiesigen Wahlen zu beobachten.
Elaine schien wirklich nett zu sein, und er hätte sich vielleicht in sie verlieben können, wenn er nicht wichtigere Dinge im Kopf gehabt hätte.
Vielleicht, wenn er diese Sache endlich hinter sich gebracht hatte.
Aber unter diesen Umständen hatte er es gar nicht verdient, dass sich irgend
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